Denn am Sabbat sollst du ruhen
sei Dank«, sagte Michael laut. Es war von einer bedeutenden Analytikerin, einem gewaltsamen Tod die Rede, die Polizei stehe vor einem Rätsel, der Beerdigungstermin solle im Laufe des Tages bekannt gegeben werden.
Das Telefon läutete. Es war Eli Bachar, der der Obduktion beigewohnt hatte. Er berichtete, daß bisher keinerlei Zeichen eines Kampfes festgestellt werden konnten, der Tod scheine von einem Schuß in die Schläfe aus kurzer Entfernung herzurühren. »Doch die Entfernung ist wohl zu groß gewesen, um Selbstmord anzunehmen. Der Tod ist ungefähr zwischen sieben und neun am Sabbatmorgen eingetreten. Sie werden gleich fertig sein, dann bringe ich die Kugel selbst zur Ballistik.« Michael spürte die Nervosität in Elis Stimme.
Auch Michael sah nicht gern bei Obduktionen zu, und auch er brauchte Stunden, um den Anblick zu verdauen, wie der Pathologe mit seinem Skalpell den toten Körper so unbeteiligt aufschlitzte, als tranchiere er ein Hähnchen.
Eli Bachar war Inspektor der Abteilung für Schwerverbrechen. Michael hatte regelmäßig mit ihm und Zila zusammengearbeitet, bis er vor zwei Jahren zum stellvertretenden Leiter des Kommissariats ernannt wurde und seitdem häufiger mit Schreibtischarbeiten beschäftigt war. Als Michael zum Leiter der Sonderkommission für den Fall Neidorf ernannt wurde, stand fest, daß Eli und Zila mit ihm arbeiten würden. Zila war offiziell verantwortlich für die Koordination, aber jahrelange Gewohnheiten verhinderten klare Abgrenzungen. Genau so, wie sie nachts in Eva Neidorfs Haus gekommen war, würde sie auch die übrige Zeit an Michaels Seite sein, das wußte er.
Er bat sie, Hildesheimer mitzuteilen, daß die Beerdigung erst am Montag stattfinden könne. »Sie sollen die Uhrzeit festsetzen und die Familie und alle anderen verständigen. Ich habe ihm versprochen, mich mit ihm in Verbindung zu setzen, sobald ich etwas weiß«, sagte er und steckte sich eine Zigarette an.
Zila griff nach dem Telefon, aber noch bevor sie wählen konnte, forderte er sie auf, aus einem anderen Zimmer zu telefonieren. Als sie fragte, wohin bitte sie gehen solle, blickte er sie vernichtend an. »Soll ich dir Beine machen?«
Sie kannte Michaels Stimmungen nach einer schlaflosen Nacht, ohne Dusche, ohne ordentliche Rasur, sie wußte, was für einen Tag er vor sich hatte, und war im Begriff, das Zimmer zu verlassen, solange sie noch konnte, aber in der Tür stand Joe Linder und sagte, er müsse dringend »Herrn Ochajon« sprechen.
»Inspektor Ochajon«, verbesserte ihn Zila und trat zur Seite. Linder trat ein, Zila ging und schlug die Tür hinter sich zu.
Joe Linder ließ seinen schmalen Körper auf den Stuhl sinken. Er knöpfte seufzend seinen Mantel auf, wobei er auf seine Uhr schaute und sagte, daß er genau eine Stunde Zeit bis zu seinem nächsten Patienten habe, weshalb er schnell zur Sache kommen wolle. »Ich bin gekommen, das Verschwinden meines Revolvers zu melden.«
Michael zog bedächtig an seiner Zigarette. Joe, dem die dunklen Ringe um die angeschwollenen Tränensäcke einen leidenden, aber auch boshaften Ausdruck verliehen, schielte verlangend nach dem zerdrückten Päckchen, das auf der Tischkante lag.
Michael bot ihm an, sich zu bedienen. Linder zündete sich eine Zigarette an und begann, noch bevor er gefragt wurde: Ohne den Todesfall – er wählte dieses Wort, nachdem er zunächst den Anfang des Wortes »Mord« ausgesprochen hatte –, ohne den Todesfall wäre der Verlust noch Monate unbemerkt geblieben. Er habe den Revolver nie benutzt, auch nie geplant, ihn zu benutzen. »Als ich aber heute Nacht nicht einschlafen konnte, lenkte die Vorsehung meinen Weg«, hier zwang er sich ein gequältes Lächeln ab, »zu der Schublade meines Nachttisches, und da entdeckte ich, daß mein Revolver verschwunden war.«
Michael hatte Joes Bericht über die Nacht zum Sabbat und den folgenden Morgen gelesen. Er erinnerte sich genau, daß Joe vom Abend bis in die frühen Morgenstunden Freunde bewirtet hatte und sich ab sechs Uhr früh um seinen Sohn gekümmert hatte, bis er zum Institut ging.
Michael fragte, um was für einen Revolver es sich gehan delt hätte. Die Antwort fiel umfassend aus: Die Waffe wurde im Jahre 1967 von einem Freund gekauft, einem Offizier. Damals war ein junger Araber, der behauptete, man ver folge ihn, in Joes Haus eingedrungen. Joe pflegte die Tür nicht abzuschließen, aber seine damalige Freundin hatte sich zu Tode erschreckt. Deshalb besorgte er den Revolver. »Er
Weitere Kostenlose Bücher