Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
beugte sich leicht zu ihm. »Herr Basteder, es geht um den vorletzten Sonntag. Den 5.Dezember, als es plötzlich so stark zu schneien anfing. Wo w aren Sie an dem Nachmittag und mit wem zusammen? «
Er sah sie verwirrt an. »Wieso das denn? «, fragte er pe rplex.
»Einfach, weil wir es wissen wollen. Also, wann und wo und mit wem? Die drei W-Fragen. «
Er räusperte sich. »Ich war erst mit meinem Kumpel zusammen, Kilian, Kilian Breitner. Warten Sie, wir haben uns so um drei oder halb vier getroffen. Dann fing es an zu schneien, und es wurde immer scheußlicher draußen. Also sind wir in eine Kneipe.«
»In welche? «
»Warten Sie, ich muss überlegen. Ins Absinth, ja, dort war’n wir. Bis so um fünf etwa. Weil, es muss halb sechs gewesen sein, als ich nach Hause kam. Ich bin meinem Vater noch auf der Treppe begegnet. Der war auf dem Weg zur Nachtschicht und hat über das Wetter geschimpft. Er kann Schnee nicht leiden und ich auch nicht.«
Das Alibi von Kilian Breitner war damit mit einem lauten Knall endgültig zerplatzt.
»Und dieser Kilian kann das bezeugen? «, fragte sie scheinheilig.
»Ich denke schon. Obwohl - der war so schräg drauf an dem Tag, vielleicht erinnert er sich nicht mehr so. Wir w aren schon ziemlich abgebreitet. Und er hat mich die ganze Zeit zugetextet.«
»Womit denn? Worüber hat er gesprochen? « Lene reckte ihr Kinn vor und wirkte dadurch so eindringlich, dass Wasti kurz zögerte.
»Ach, irgendwas mit seiner Schwester. Sie sei eine Schlampe, und er wüsste, dass sie schwanger wäre und so ein Zeug. Irgendwie hatte er eine Wut auf den Macker von der. Und fing immer wieder davon an. Ich konnte ihn gar nicht davon abbringen. «
Steffi sollte schwanger sein und es ausgerechnet Kilian erzählt h aben? Das gab gar keinen Sinn. Hatte Wasti da etwas falsch verstanden? Lene stand auf, als sie merkte, dass sein Wortschwall versiegt war.
»Danke, Herr Basteder, Sie haben uns sehr geholfen. Wir brauchen Ihre Aussage noch schriftlich. Bitte, kommen Sie morgen um elf aufs Präsidium am Jakobsplatz und fragen Sie nach Sandra Klein und unterschreiben Sie das Prot okoll.
Er nickte, war auch aufgestanden. Er wirkte so verloren, so kaputt und kümmerlich, dass Lene fast Mitleid mit ihm hatte. Scheiß Drogen, schrie es in ihr. All diese kaputten Leben.
Fünf Minuten später ging sie mit Mike durch den Eichenwald. Es war kälter geworden, und der Schnee knirschte in der Dunkelheit unter ihren Füßen. Die hohen Eichen vermittelten ein Gefühl von Geborgenheit. Sie knarrten leise, erstarrt im Frost. Bei ihm eingehakt, kuschelte sie sich an seine dicke Jacke.
»Das war ein Durchbruch, ein Hoffnungsschimmer. Wieso nur sollte Steffi plötzlich schwanger sein? Da hatte Kilians drogenbenebe ltes Hirn wohl etwas zusammenfantasiert. Hatte Kilian zu Sven gewollt? Aber er wusste, dass Sven – falls er überhaupt von ihm wusste – mit seinen Geschwistern auf Klassenfahrt war. Wenn er überhaupt etwas wusste, dann eher das. So wie Steffi von ihm gesprochen hatte, und auch Max, pflegten die beiden einen wenn auch nicht regelmäßigen Kontakt mit ihm. Na, wenigstens haben wir freie Hand. Er hat kein Alibi und ein, wenn auch noch wenig handfestes, Motiv. Es kann Feierabend werden! «, sagte sie, plötzlich in eine friedliche Stimmung rutschend.
Sie dachte an jenen anderen Wald in Kanada. An den anderen Schnee, die andere Zeit.
Noch enger an Mike geschmiegt, kämpfte sie ihre plötzlich wieder aufsteigende Verlustangst nieder. Was hatte Matthias damals geschrieben? Sie hatte gestern wieder in seinem kleinen Band gelesen.
Die Ferne, in der die Gedanken schweigend versinken,
birgt das Licht neuer Tage, an die sich die Glieder linken
einer seelischen Kette unlösbarer Frage unseres Gewissens
und dem was wir sind.
Der Himmel, ein uns verlorener goldener Ball,
ein wesenvolles, unbekanntes, lockendes All.
Darinnen ein Fünkchen, verleiht uns die Schwere vergessener Stunden,
die Glied an Glied die Kette bilden, die unsere Seelen versklavt
an das Gestern.
Ein funkelnder Bach und Steine,
geschwemmt vom Mahlstrom der Zeiten,
gebar die große Verzweiflung unfindbarer Vergeudung in uns selbst,
dass unsere Empfindung gepresst, sich über die Idee erhob
zur schwindelnden Höhe, in der die Adler kreisen.
Wir fallen, wie wir uns erheben,denn Stein gehört zur Erde …
unser Seelenflug ins Nichts - daraus wir kamen.
Ob er damit so etwas wie Karma gemeint hat, von der Wiederg eburt, der Reinkarnation
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