Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Hochzeit standen, wieder aufzunehmen. Und entgegen jeder Erwartung hatte er genau das getan und sie in die Ermittlungen mit eingebunden. Gegen den Widerstand seines Kollegen. Also nickte sie nur.
Als sie ihr Auto vom Schnee befreiten, schluckte sie schwer an ihrer Enttä uschung. Gerade jetzt. Nürnberg hatte sich also nicht an ihre Vereinbarung als mordfreie Stadt in dieser Zeit gehalten.
Die Schneedecke war schon fast geschlossen, der Verkehr so g ering, dass auch über der noch nicht geräumten Straße eine ungewohnte Stille lag. Rechts neben ihnen dunkel und wehrhaft die Burgmauer mit einer Schneehaube auf dem Dach. Lene rutschte beim Beschleunigen etwas weg, sah ihren Nebenmann mutwillig an und gab bewusst so Gas, dass das Auto ausbrach und sie sich halb drehten. Ein kurzer erschrockener Blick und beide prusteten los.
Sie kamen am Opernhaus vorbei, an dem gerade ein großes Plakat Fidelio ankündigte. Ob das etwas für Mike wäre? Irgendwie konnte sie sich Kalifornier und Opern nur begrenzt zusammen vorstellen. Sie überquerten den Plärrer und bogen kurze Zeit darauf links ab. Inzwischen war jedes Lächeln erloschen, der Alltag hatte eingesetzt. Drei Polizeiwagen mit Blaulicht, das im Takt des Impulsgebers seine Bläue über den Schnee legte. Ein Krankenwagen – wofür, fragte sich Lene, wenn das Opfer tot war?
Sie stiegen aus, ein Polizist wollte sie aufhalten, Lene zeigte nur stumm i hren Ausweis und nickte zu Mike hinüber.
»Er gehört zu mir.«
Sie verschmähten den Fahrstuhl und stiegen hinauf zum dritten Stock. Lene spürte das geschwungene Holzgeländer in ihrer Hand. Seltsam, worauf man manchmal achtet, dachte sie. Polizisten kamen ihr entgegen, ein Mann überholte sie mit einem kurzen Hallo und lief hastig vor ihnen nach oben. Hoffentlich hatte Kalle alles abgeriegelt, dachte sie. Er wusste, sie wollte Tatorte unverändert analysieren - aufnehmen. Vor der Wohnungstür war der Fotograf dabei, schmutzige Fußabdrücke zu fotografieren. Sie dachte an das Computerprogramm, das in Frage kommende Schuhe damit abgleichen konnte. Ein Gipsabguss wäre hier nicht möglich gewesen. Für diese Art Fußabdruck war das ziemlich neue digitale Erkennungsprogramm ein echter Fortschritt. Sie zogen Plastikschutzhüllen um ihre Schuhe und betraten vorsichtig den Flur. Das Wohnzimmer ging linkerhand von der Diele ab.
Kalle stand wie ein Zerberus vor der Zimmertür.
»Endlich bist du da, Lene. «
»Wer ist es? «
»Die Wohnungsinhaberin. Melanie Merthens. «
Sein Blick ging zu Mike. Neugierig und zugleich ein bisschen am üsiert. »Hast du…?«
»Ja, habe ich. Das ist Mike Fuller und dies ist mein Kollege und Freund Jü rgen Karlowitz, genannt Kalle. «
Es war die erste Begegnung der beiden Männer, die ihr am nächsten sta nden. Kalle war bei Mikes kurzem Besuch in Nürnberg nach ihren gemeinsamen Ferien in Südfrankreich im vorangegangen Jahr krank gewesen.
Sie ließ die beiden stehen und betrat das Zimmer. Ein lichter Raum, Bücher in einem offenen Regal, ein weißer Teppich, hellgraue Couchgarnitur. Zwei große, leuchtende Bilder darüber, die dem Raum Farbe verliehen. Vor dem Fenster, das bis zum Boden ging, ein Schaukelstuhl aus Ratan. Davor lag die Tote. Eine Blutlache unter ihrem Kopf, der den weißen Teppich hässlich ve rfärbte.
Ein Lene Unbekannter, wohl der neue Rechtsmediziner, kniete vor ihr und sah sie von unten an. Jung sah er aus, dachte sie. Höchstens Anfang dreißig. Seit ihrem fünfzig sten Geburtstag Anfang letzten Jahres ertappte sie sich oft dabei, andere als besonders jung zu empfinden. Nun ja. Ein Trost war nur, dass Mike ihr da in einem halben Jahr folgen würde.
Der Mann kam aus der Hocke hoch und reichte ihr die Hand. Stefan Gla uber, stellte er sich vor. Rechtsmedizin.
»Lene Becker, Kriminalhauptkommissarin. Ich habe schon gehört, dass Sie bei uns angefangen haben. Und – wie sieht es aus? «
»Ein Schädeltrauma scheint die Todesursache zu sein. Sehen Sie, hier liegt wohl das Tatwerkzeug. «
Er deutete auf einen umgeworfenen Kerzenleuchter aus schwerem Gusseisen. Die Kerze war unter die Heizung gerollt, der Fuß des Leuchters zeigte am Rand rötliche Sp uren, die auf dem grünlichen Untergrund schon mehr braun wirkten.
»Aber da muss ich noch…« Glauber brauchte den Satz nicht zu vollenden. Den kannte jeder ermittelnde Beamte auf der Welt. Letztes Jahr hatte sie ihn genauso auf Franz ösisch gehört.
»Und – können Sie den Todeszeitpunkt …?«
Auch sie brach
Weitere Kostenlose Bücher