Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
tat ihr leid. Aber sie musste sich jetzt beeilen, um zu der Obduktion noch einigermaßen pünktlich zu ersche inen.
»Erzählen Sie es ihr, wie Sie es mir geschildert haben. Sie wird es verst ehen«, machte sie ihm in sachlichem Ton Mut.
Sie spürte den Aufruhr in seinen Gefühlen seiner Frau gegenüber und machte eine kurze Pause, bis er sich wieder auf sie konzentrierte. Sie reichte ihm se inen Pass und fuhr dann fort.
»Wir bleiben in Kontakt. Ich werde mich jetzt erst einmal um Sven, Melanie Merthens‘ Enkel kümmern. Sie wi ssen sicher, dass er bei ihr lebte. Haben Sie ihn noch gesehen gestern?«
Er schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Er war nicht da. Was sagt er?«
»Er weiß noch nichts vom Tod seiner Großmutter. Sie hören auf jeden Fall von mir.
Er schien noch etwas fragen zu wollen, nickte dann aber. »Sie hat von ihm g esprochen. Ach, alles war viel zu kurz! «
Er riss sich in der Erinnerung an dies letzte Gespräch sichtlich z usammen und holte ihr dann von der Rezeption ein Hotelkärtchen, auf dem er seine Zimmernummer notierte. Als sie sich im Eingang noch einmal umdrehte, hob er grüßend die Hand, aber auch in dieser Geste lag eine unbestimmte Ratlosigkeit.
Sie sah wieder auf die Uhr. Mist. Die Obduktion. Es war eigentlich schon fast zu spät. Sie rief Kalle an, der sich u ngeduldig meldete.
»Wo steckst du? Ich bin schon hier bei Glauber. Wir warten auf dich.«
»Es hat einfach länger gedauert, das Gespräch mit Mr Shiller. Du glaubst es nicht, plötzlich platzte seine Frau in unser Gespräch. Sie war ihm als Überraschung quasi heimlich nachgeflogen. Schon komisch. Du kannst dir vorstellen, wie ertappt er sich gefühlt hat. Kannst du die Obduktionsbegleitung nicht allein machen? Ich will erst mal rauf in mein Büro und sehen, ob Sandra die Adresse der Tochter rausgefunden hat. Und dann würde ich die gern aufsuchen. Und bei dem Wetter nach Bamberg – eher langwierig.«
»Gut, dann machen wir es so. Bis du jetzt nach Erlangen raus kämst, wü rden wir sowieso nur unsere Zeit vertun. Und bisher sieht es ja nicht so aus, als ob die Todesursache selbst Überraschungen bereithielte. Ruf mich an, wenn du später Zeit hast.«
»Danke. Und grüße Glauber. Das nächste Mal komme ich b estimmt mit.«
Erleichtert schob sie ihr Handy zusammen. Schnee lag noch dick wie Wa tte, durchzogen von Fußspuren, über dem Platz. Der Himmel war jetzt freundlicher geworden, fränkisches Blau mit einigen weißen Wolken. Das Dach des Weißen Turms lugte diesmal weiß und schneebedeckt zwischen den Häusern durch. Stilvoll, fand sie und steuerte auf das weit ausladende Bronzeportal des Polizeipräsidiums zu. Die Eingangshalle wirkte dagegen ernüchternd. Der schmutzig-nasse Fußboden ließ die dicke Glasabsperrung noch hoffnungsloser wirken. Zumindest für Kriminelle. Sie warf dem Pförtner ein Lächeln zu, bevor sie ihre Karte durch den Türöffner zog. Jedoch schon im Aufzug fühlte sie sich wieder wohl und als sie den Flur von MK1, der Mordkommission, erreicht hatte, war sie wieder in ihrem vertrauten Bereich angekommen.
Sandra kam ihr entgegen. Stolz lächelnd hielt sie Lene ein DinA4 Blatt hin. Ich habe die Adresse. Sie heißt Fried erike Walther. Wohnt in Bamberg. Und ist Lehrerin am Gymnasium Maria Ward . Das ist …«
»Eine Klosterschule, ich weiß. Da waren schon meine Großtante - und ich auch für zwei Jahre - Schülerinnen. Hießen früher die Englischen Fräulein. «
Verblüffung im Gesicht der jungen Kollegin. Ihr Pferdeschwanz oberhalb ihres Nackens wippte, als sie den Kopf zurückwarf.
»Stimmt. Und du warst dort als Schülerin? Krass. Du musst mir mal erzählen, wie es in so einer Klosterschule ist. Na denn, die Telefonnummern sind drauf. Du willst sicher selbst anrufen? «
Lene blickte noch einmal kurz auf den Zettel, während sie schon zum Telefon griff. Der Ehemann, Uwe Walther, war auch Lehrer, wenn auch an einer a nderen Schule, einer Grund- und Hauptschule in Bamberg. Nachdenklich legte sie das Telefon wieder weg ohne gewählt zu haben. Dann nahm sie es doch wieder auf und rief bei sich zu Hause an. Keine Antwort. War Mike doch schon unterwegs?
Als sie sein Handy anrief, meldete er sich fast sofort.
»Ich bin gerade hier aus der U-Bahn ausgestiegen. Am weißen Turm, das war doch richtig?«, klang es stolz aus dem Telefon.
»Ich bin beeindruckt, dass du das noch weißt. Und ich bin gleich um die Ecke und treffe dich dort am U-Bahn Ausgang am Brunnen. Okay? «
Sie legte auf.
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