Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
ausgestattet mit Winterstiefeln und einer dicken Jacke, bei der Lene auf Blau besta nden hatte, wodurch jetzt seine Augen noch intensiver leuchteten – in dem Dienstwagen, und die Klimaanlage blies sanft anheimelnde Wärme herein. Sie fuhren aus Nürnberg heraus und auf die A73 in Richtung Bamberg. Nachdem sie Erlangen hinter sich hatten, breitete sich die schneebedeckte Landschaft vor ihnen aus. Es war unwirklich schön. Die Sonne war herausgekommen, die Felder glitzerten in strahlendem Weiß. Der Schnee lag dick auf den kahlen, durch ihre Schwärze scharf gezeichneten Ästen der Bäume, und Mike sah hingerissen auf die märchenhafte Umgebung, durch die sie fuhren.
»Wie schön es hier ist heute«, sagte er schließlich fast andächtig. »Jetzt b egreife ich, dass uns tatsächlich etwas fehlt in Kalifornien. Das hier ist wirklich Winter. Ein Zauber liegt über allem.«
Sie sah zu ihm hinüber und war dankbar dafür, dass er empfand wie sie, das aussprach, was sie fühlte.
Als sie in Bamberg ankamen, fuhr sie ins Zentrum und parkte im Parkhaus in der Nähe des Maximilianplatzes. Es war bereits halb eins. Sie fragte sich, ob der Unterricht immer noch bis ein Uhr ging – oder war es zwei Uhr damals? - dann Mittagessen und eine Stunde Pause, dann Studierzeit . Auf dem kurzen Weg vom Parkhaus durch eine kleine Gasse zum Holzmarkt erzählte sie Mike, wie sehr ihr die Lernzeit, dies in der Stille Lernen, geholfen hatte, eine Art geistiger Disziplin zu entwickeln. In Ruhe und Konzentration Hausaufgaben zu machen, ohne Störung von außen, war eine großartige Schulung gewesen. War man fertig mit den Hausaufgaben, wiederholte man Vokabeln oder Geschichte oder … Als Schülerin hatte sie sich oft eingesperrt gefühlt, aber heute wusste sie diese Erfahrung zu schätzen. Gehirntraining vom Feinsten.
Sie kamen an dem vertrauten, von einer Sandsteinmauer umgeb enen Gebäude an. Ein Blick zur Klosterpforte, die sich nach dem Klingeln nur unter dem prüfenden Blick der Nonne an der Pforte durch das Gitterfenster für Besucher oder Internatsinsassinnen öffnete. Zumindest war das früher so. Sie würde es Mike später zeigen. Jetzt hielt sie sich erst einmal rechts Richtung Schuleingang und fragte eine Schülerin nach dem Lehrerzimmer oder dem Sekretariat.
Die Schülerin begleitete sie freundlich zum Vorzimmer der Dire ktorin. Zu Lenes Überraschung war es ein männlicher Schulleiter, für die reine Mädchenschule ein wahres Novum. Wehmütig dachte sie an die temperamentvolle, schon zu ihrer Zeit alte Nonne, die weit über das Rentenalter hinaus nicht nur die Leiterin der Schule und des Internats war, sondern auch Bauherrin für die großen Erweiterungsbauten. Und eine enge Freundin von Lenes Großtante Marge in Kalifornien, mit der sie um 1900 herum gemeinsam Schülerin eben dieser Schule gewesen war.
Hier sah sie sich einem modernen Mann Ende fünfzig gegenüber, korrekt gekleidet und mit welligem, silbergrauen Haar, das seine dunkelblauen A ugen hervorhob. Sympathisch und kompetent, war ihr Urteil.
»Herr Bauer, wir müssen unbedingt Frau Walther sprechen. Ist es möglich, dass wir sie kurz aus dem Unterricht holen, es eilt bei uns.«
Verwirrung breitete sich auf seinen Zügen aus.
»Kriminalpolizei Nürnberg? Ja, wieso das denn? Ist Frau Walther in eine kriminelle Geschichte verwickelt, dass Sie extra hierherko mmen?«
Lene verneinte, wollte ihm jedoch erst nach ihrem Gespräch mit Rike Wa lther von dem Mord erzählen. Wenn überhaupt. Deshalb bat sie ihn leicht ungeduldig, sie zum Klassenzimmer von Frau Walther zu begleiten.
»Darum geht es ja«, und seine Stimme hatte einen ratlosen Be iklang. »Frau Walther ist heute nicht zum Unterricht erschienen. Quasi unentschuldigt. Sie hat nicht einmal angerufen und Bescheid gesagt. Dabei hatte sie heute eine Klassenarbeit in der 10a angesetzt. Das sieht ihr gar nicht ähnlich. Wir haben schon ein paar Mal angerufen, aber es nimmt niemand ab. Ja, und die Kinder sind auch beide nicht im Unterricht. Hängt das vielleicht mit der Ursache für Ihren Besuch zusammen? «
Nun war es an Lene, verblüfft zu sein. Hatte Rike Walther doch schon i rgendwie von dem Mord erfahren? Die Zeitungen hatten noch keine Meldung bringen können, das hatte die Pressesprecherin ihr heute Morgen noch bestätigt. Der Rundfunk vielleicht? Aber die gaben doch keinen Namen heraus. Konnte sie doch jemand aus dem Haus, einer der Nachbarn vielleicht, so gut kennen, dass er sie angerufen hatte und sie war
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