Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Almhütte, die heute noch, an den Hang g ebaut neben dem Restaurant, stehen geblieben war. Immer sah man sie dort bei den Gästen Bestellungen aufnehmen oder einfach mit ihnen reden. Die Seele des Ganzen. Dabei hatte sie längst ein Alter erreicht, in dem sie sich zur Ruhe hätte setzen können. Ihr seit vielen Jahren vertrautes Gesicht zeigte Überraschung, als sie Lene sah. Freudestrahlend kam sie auf sie zu.
»Lene, du hier? Wia gibt’s denn dös? Bist du hiatz ois Lehrerin zua Schul gwechselt?«
Lene nahm sie zur Seite. »Hast du noch ein anderes Zimmer hier? Ich bin beruflich hier. Ich würde dich gern ohne Zuhörer spechen.«
Theres schob sie in einen kleinen Raum neben der Küche. Ein Tisch, vier Stühle. »Unser Abendlehrerzimmer . Damit die es auch mal ein bisschen netter haben. Ist eh schon immer anstrengend für die.«
Der Raum war persönlicher gestaltet als das große Speisezimmer. Lene schmunzelte, als sie neben einer Kiste Cola und einer mit Wa sser, eine Kiste Bier in der Ecke stehen sah, ebenso wie etliche Weinflaschen. Wirklich nett.
Sie erzählte Theres, warum sie hier war und auch von ihrem B esuch im Krankenhaus.
»Der arme Bua. siebzehn, fast achtzehn sagst du?«
Lene hörte die Traurigkeit in ihrer Stimme. Theres hatte einen ihrer Söhne mit neunzehn Jahren verloren, als er mit dem Traktor den Hang hinuntergestürzt war. Auch jetzt nach all den Jahren sprachen sie noch manchmal davon. Sie musste sich daran erinnern in diesem Augenblick. Lene legte kurz ihre Hand auf die der Älteren. Aber Theres sprang schon wieder auf.
»Ich mach euch Abendessen mit, deinem Amerikaner und dir. Ist in einer guten halben Stunde fertig. Willst du trotzdem schon anfa ngen? «
»Ja. Aber mach dir keine Umstände. Weißt du, ich möchte mit meinem Freund nachher vielleicht noch Essen gehen. Er kennt doch Hinterglemm gar nicht. Schade, dass es so spät wird, sonst wär es auf eurer Alm so schön. Aber beschäftige so viele von den Schülern und Schülerinnen wie möglich. Sie so llen dir helfen. Je mehr sie zu tun haben – desto besser. Und bitte achte darauf, dass sie sich möglichst nicht absprechen können. Also kein Flüstern in einer Ecke.«
Wenn es dafür nicht schon zu spät ist. Egal, wir müssen jetzt anfangen, dachte sie. Und fragte, wer der beiden Le hrer wohl Notizen machen könnte. Herr Kaufmann stöhnte »Ich bin zu langsam«, aber Frau Gellner erklärte sich gleich bereit. Lene instruierte Mike und Kaufmann, dass sie möglichst mitbekommen sollten, was in welchen Gruppierungen passierte und dabei Privatgespräche verhindern mögen. Dann stellte sie sich vor die Klasse und bat um Ruhe. Das funktionierte sogar.
»Ihr wisst, dass Sven von einem Snowboarder geschnitten wurde und ich würde gern wissen, von wem. Hat einer von euch erkannt, wer es gewesen ist? «
Keine Meldung.
»Wer von euch hat den Vorfall überhaupt gesehen?«
Drei Hände gingen nach oben, zwei davon etwas zögerlich. Daniela, Raffael und Stefanie stellten sie sich vor. Stefanie war Lene sofort aufgefallen, weil sie deutlich verweinte Augen hatte.
»Und Raffael, du hast Daniela zu Frau Gellner geschickt. Fange ich mit dir an. Ihr anderen beiden setzt euch zu Mr Fuller vom San Fra ncisco Police Department. Da könnt ihr ihn fragen, wie es in San Francisco ist und eure Englischkenntnisse einsetzen.«
Sie lächelte den dreien aufmunternd, und wie sie hoffte, beruh igend, zu und ging mit Raffael und Frau Gellner ins Abendlehrerzimmer. Die Lehrerin setzte sich taktvoll an einen kleinen Tisch an der Wand. Sehr klug von ihr, dachte Lene, dadurch nehmen die Schülerinnen und Schüler sie beim Gespräch nicht so bewusst wahr und sprechen vielleicht freier.
Der schlaksige Junge mit dunklen Locken und dunklen Augen - ein wirklicher Raffael, dachte Lene – faltete sich zögernd auf ihre Au fforderung hin auf einem der Stühle zusammen wie ein Klappmesser. Lene setzte sich ihm gegenüber und betrachtete ihn kurz nachdenklich. Das Licht der Lampe fiel auf sein Gesicht und zeigte auch bei ihm deutliche Spuren. Er musste ebenfalls geweint haben.
»Hallo Raffael. Ich brauche noch deinen vollständigen Namen und dein Alter.«
»Ich bin Raffael Springer und ich bin achtzehn.«
»Bist du mit Sven befreundet?«, fragte sie ihn. Er zögerte kurz, dann kam ein einsilbiges Ja . Da merkte sie, dass sie den Jungen duzte und berichtigte sich. Aber er winkte ab. » Du ist schon okay. Sagen hier doch alle.«
»Bist du das, was man seinen
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