Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
besten Freund nennt?«
»Nein, das ist Michael. Der ist auch mit Sven und mir im Zimmer.«
»Zu wievielt seid ihr im Zimmer hier?«
»Zu viert. Max ist noch dabei.«
Lene notierte sich die Namen.
»Also, Raffael, was hast du gesehen?«
Sie beugte sich bewusst etwas nach vorn ins Licht und sah ihn aufmu nternd an. Die Bürde der achtzehn Jahre, Identitätsunsicherheit und die Schwierigkeit, frei zu formulieren, wenn es um so etwas Wichtiges wie eine polizeiliche Befragung ging, ließen ihn sichtlich gehemmt wirken. Seine Nase wirkt noch zu groß, dachte sie während sie wartete. Als ob das Gesicht erst hinterher wachsen muss.
»Also, ja, wir - Sven, Daniela, Steffi, das ist Svens Freundin, und ich - haben die Abfahrt zusammen gemacht. Vor dem steilen Abfahrtstück zur Brei tfußalm haben wir oben am Kamm angehalten. Sven war etwas vor uns, etwa zweieinhalb Meter. Er stand direkt auf der Schwelle, die nach unten dann steil abfällt. Ich wartete darauf, dass Steffi ihre Bindung fertig kontrolliert hätte – sie fand, da war irgendwie eine Unsicherheit beim Laufen. Ja, und in dem Augenblick kam von schräg hinten ein total Vermummter mit Sturmmaske und Skibrille auf seinem Skateboard angerast und riss sein Board plötzlich rum, auf Sven zu, der noch zu uns sah und mit dem Rücken zum Tal stand. Der Idiot fuhr ihm voll rein, riss ihn um, so dass er sich rückwärts den Hang runter überschlug und bewegungslos liegen blieb. Es war völlig irrsinnig, Sven stürzte so unglücklich, dass er mit dem Kopf schrecklich aufprallte. Der Snowboarder hatte doch genug Platz. Keine Ahnung, ich versteh das nicht. Es sah furchtbar aus. Der Blödmann ist einfach weiter gesaust.« Seine Stimme war während der Schilderung immer lauter und aufgeregter geworden. »Ich dachte, Sven hätte sich das Genick gebrochen. Es war so schrecklich«, kam es leiser als Ergänzung. Als ob ihm das Eingestehen seiner furchtbaren Angst schwerfiel.
»Meinst du, er hat es absichtlich getan, in einen Skifahrer reinz ufahren?«
»Ja, so sah es für mich aus. Keine Ahnung. Irgendwie wie geplant. Es ist so ein Gefühl. Aber der Zusammenstoß war wirklich völlig u nnötig. Es war so viel Platz da. Und dann fing er sich auf seinem Board und raste einfach weiter! Das macht doch niemand. Nur, wer sollte so etwas tun? Das muss ein Irrer gewesen sein, ein Psycho.«
»Kann es jemand aus eurer Gruppe gewesen sein?«
Seine Augen bekamen etwas Hektisches, Suchendes.
»Keine Ahnung. Wer sollte das denn sein? Kann ich mir nicht vo rstellen.«
Falscher Anfang, Lene. Nochmal.
»Versteht ihr euch alle gut untereinander? Sven auch? Ist er nett? «
»Sven ist ein prima Kumpel. Doch, in der Klasse ist es okay. Manchmal gibt es Ärger zwischen Sven und Max. Weil Steffi doch Max‘ Schwester ist.«
»Und wieso dann Ärger?«
»Na, ich glaube, manchmal ist Max eifersüchtig auf Sven. Weil Steffi halt immer mit dem rumhängt. Keine Ahnung. Und vorher war wohl Max der Wichtigste in ihrem Leben. Manchmal glaub ich sogar, dass er absichtlich hängengeblieben ist, damit er in dergleichen Klasse ist wie sie. Keine A hnung.«
Wer hat unserer Jugend nur beigebracht, keine Ahnung zu haben? Wie konnte so ein Spruch nur so um sich greifen? Keine Ahnung, dachte Lene.
»Weißt du, wo Max zu der Zeit war, oberhalb oder u nterhalb von euch?«
»Nein, da achtet man doch nicht drauf. Jeder fährt halt in Etappen runter. Aber die, die mit ihm zusammen waren, wissen sicher, wo er war.«
Supertipp. Ich bin ja so dankbar für intellektuelle Hilfen. Bin ich froh, dass ich keine Lehrerin geworden bin! Lene, sei nicht ungerecht, er will doch nur helfen.
»Und Steffi ist die Freundin von Sven?«
»Ja, seit ein paar Wochen oder so– keine Ahnung. Na ja, Steffi ist auch wirklich super nett.«
»Danke, Raffael. Du hast mir sehr geholfen. Nur noch eine Frage, bevor du mir dann Steffi reinschickst. Kannst du den Mann irgendwie beschreiben? Den Snowboarder? Oder kann es auch eine Frau gew esen sein?«
Er sah sie überrascht an, schüttelte dann aber den Kopf. »Nein, e ine Frau wohl nicht. Das müsste dann schon so eine sehr kräftige sein. Der Körper wirkte männlich, etwa ein Meter fünfundsiebzig oder so. Na ja, kann auch etwas weniger oder mehr sein. Kräftig, aber nicht dick. O Mann, das hört sich im Krimi immer so easy an. Keine Ahnung, schwarzer Skianzug halt und sein Gesicht vermummt. Mit so einer Skimaske, auch schwarz.«
Plötzlich hatte Lene eine Idee. Wenn er das extra
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