Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
grauweiß gegen den blauen Himmel sich abhebend. Lene stand ganz still gegen Mike gelehnt, in seinen Armen, spürte seinen Atem über sich.
»Weißt du wie selten man hier eine Gemse sieht? In all den Jahren ist es erst meine zweite.«
Gerade heute. Es machte sie glücklich. Auch wenn ihr daas englische Wort für gemse beim besten Willen nicht einfiel.
Mike drückte sie an sich. »Es ist so schön hier. Ich komme wieder, und dann machen wir Urlaub hier, und wenn es nur zwei Wochen sind. Es ist so wie wir uns Winter in u nseren Träumen vorstellen.«
Siehst du Lene, er kommt wieder. Na also.
Die Klasse war kurz vor ihnen angekommen. Da die Sonne schien, waren sie draußen geblieben, hatten sich an die Biertische gesetzt. Die Mädchen stritten sich im Spaß um die Decken. Die Jungen bestürmten Herrn Kaufmann, dass sie doch wenigstens ein Bier trinken dürften. Er bestimmt, dass höchstens ein Radla, ein kleines. Es war eine völlig andere Atmosphäre als gestern, zumindest bis sie und Mike wahrgenommen wurden. Sie grüßten fröhlich und Lene berichtete, dass Sven heute Nachmittag mit nach Nürnberg dürfte, das hieß natürlich, nicht mit ihnen, sondern mit einem Kleinflugzeug. Fröhliches, erleichtertes Lachen. Sollten sie es noch kurz genießen.
Lene und Mike gingen hinein um nicht zu stören. Lene begrüßte Greti, die a ttraktive Wirtin mit dem Wuschelhaar, die sie umarmte und sich sichtlich freute, sie zu sehen. »I hab denkt, du kimmst erst zu Weihnachtn?«, fragte sie, wobei sie versuchte, eine ihrer vorwitzigen blonden Locken wieder zurückzustecken. Lene machte nur eine Bemerkung, dass sie beruflich hier sei. Es hätte gestern in der Gruppe draußen einen Unfall gegeben. Greti sah sie fragend an, aber als Lene schwieg, lächelte sie sie nur mit ihrem offenen Gesicht an. »Is scho guat. I sig scho, du wüst schweign. Wos woi‘ts denn zum Trinkn? Und woit’s a wos essn?« Sie setzten sich in das gemütliche Lokal mit einem rund gemauerten, weiß gekalkten Kaminofen, der den Raum gleichsam unter seine Fittiche nahm. Alles in der Alm war mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Gemütlich und geschmackvoll. Vor den kleinen Fenstern mit Holzsprossen leuchteten die Schneegipfel und ein Stück blauer Himmel. Eingerahmt von den Blumenvorhängen an den schmiedeeisernen Gardinenstangen verliehen sie dem Gast ein geborgenes Gefühl von hier drinnen und dort draußen.
»Ich könnte schon wieder essen. Das ist ja furchtbar hier mit mir. Aber es schmeckt auch alles so herrlich! «, stöhnte Mike und bestellte sich einen Ka iserschmarrn – auf Lenes Empfehlung.
Als sie später hinausging um die Jugendlichen zu befragen, bat sie sie sich auf dem seitlichen Balkon zu versa mmeln, denn dort würden sie allein sein. Nach einigem Murren ging das ganz gut. Sie ließ ihren Blick über die Köpfe gleiten, bis es schließlich erwartungsvoll ruhig geworden war.
»Es tut mir sehr leid, aber ich brauche noch ein paar Auskünfte von euch. Und ich muss euch etwas sagen, das mir nicht ganz leich tfällt. Ihr wisst, ich bin bei der Polizei, genauer bei der Kriminalpolizei, Abteilung Mord. Und darum geht es eigentlich.« Sie blickte jetzt in erschrockene, fragende Gesichter. »Am Sonntagnachmittag ist Frau Merthens, Svens Großmutter, tot aufgefunden worden. Getötet von einem Unbekannten.«
Sie machte eine Pause, spürte die Fassungslosigkeit der Jugendlichen. E ine Schülerin schluchzte auf, umarmte ihre Freundin. Dabei fiel Lene ein, dass die Schüler Frau Merthens sicher noch als Lehrerin kannten. Betont sachlich fuhr sie deshalb fort und versuchte damit einen allgemeinen Gefühlsausbruch zu vermeiden.
»Wir wissen bisher nicht, wer der Täter ist. Aber wir suchen mit a ller Kraft. Sven weiß es noch nicht, deshalb bin ich eigentlich hierhergekommen. Ich wollte es ihm persönlich sagen, ihn nicht am Telefon damit überfallen. Und nun hatte er selbst diesen Unfall – wenn wir es mal so nennen wollen. Ich benötige jetzt eure Hilfe. Wir müssen die Videobänder der Bergwacht auswerten und brauchen dafür ein paar Informationen von euch – damit wir euch ausschließen können. Die erste Frage: In welchen Gruppen wart ihr während des Unfalls unterwegs? Wer mit wem?«
Frau Gellner unterbrach sie. »Ich habe gestern Morgen eine Liste gemacht, damit ich immer weiß, wo die Einze lnen sind. Und damit keiner allein fährt. Sie hatten strikte Anweisung immer in dieser Gruppierung zu bleiben. Warten Sie, ich habe die Liste
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