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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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dem ersten Jahr dieser Automatenbrühe seinen Frieden mit seinen Geschmacksnerven gemacht, schon weil er auf Koffein nicht verzichten konnte, um sich auf den Beinen zu halten und einen klaren Kopf zu bekommen. Besonders am frühen Morgen nach nur vier oder fünf Stunden Schlaf.
    An diesem Morgen, vielleicht lag es an der Feuchtigkeit, stank es in dem Kabuff noch übler nach nassem Papier und Schimmel als gewöhnlich. Marino dachte an das im Park verschwundene Baby.
    Diese Verbrecher!
    Seine Finger umklammerten den heißen Plastikbecher, um so ein wenig Wärme, Trost und Sicherheit zu finden: Ich sitze hier, trinke meinen Kaffee, alles ist gut.
    Vincenzo Marino vermittelte dieser Raum über den Geruch nach Schimmel hinaus auch ein wenig Zusammengehörigkeitsgefühl, da er sich als Teil einer Gemeinschaft fühlte und Zutritt zu einem Raum hatte, der anderen verschlossen blieb. Denn nach Gianfranco Bertolis Bombenattentat auf das Präsidium im April 1973 waren viele Räume in dieser Festung in der Via Fatebenefratelli, besonders die Kellerräume wie der »Saloon«, durch die man zwangsläufig musste, wenn man zu den Archiven, den Sicherheitsräumen und den Verhörzimmern wollte, für den Publikumsverkehr gesperrt worden.
    Off limits - Duchgang verboten!
     

KAPITEL 23
    Vincenzo Marino war mit Leib und Seele Neapolitaner, und das nicht nur, weil Neapel als Geburtsort in seinem Ausweis eingetragen war und er seine Heimatstadt immer im Herzen trug. Nein, Neapel war praktisch in seinen Genen verankert. Es gehörte zu ihm wie der Braunton seiner Haare, die in alle Richtungen abstanden, wie die kräftigen Schultern oder seine nicht ganz schlanken Hüften, die dunklen Augen, die sich nicht einmal erwärmten, wenn er lachte, oder die temperamentvolle Redeweise des Südens mit der ständigen Bereitschaft, übergangslos in den Dialekt zu wechseln, unverhältnismäßig zu übertreiben oder für alles bildhafte Vergleiche zu finden.
    Vor fünf Jahren hatte man ihn von der Polizei in Neapel nach Mailand versetzt, weil es sich als notwendig erwiesen hatte, eine möglichst große Entfernung zwischen ihn und seine private Vergangenheit zu bringen.
    Das war keine persönliche Entscheidung gewesen. Er hatte nur die Wahl zwischen gehen und leben oder bleiben und sterben.
    Und zwar nicht etwa an gebrochenem Herzen, sondern durch eine handfeste Kalaschnikow.
    Das hatte ihm ein Camorrista geschworen. Eigentlich war der nur ein kleines Licht - durchtrainierter Körper, breites Grinsen im Gesicht, volles Haupthaar, das Hirn mit Koks zugedröhnt -, aber ausgerechnet diesen Mann musste sich seine Frau Lucia unter allen möglichen Kandidaten als Liebhaber aussuchen.
    Marino war zufällig auf ihn gestoßen, als er einmal nachmittags überraschend nach Hause kam, ohne vorher wie üblich anzurufen: »Schatz, ich komme jetzt. Brauchst du noch was?«
    Als er die Tür aufschloss, war er praktisch über ihre verschlungenen Körper auf dem Wohnzimmerparkett gestolpert.
    Marino blieb nicht einmal die Zeit zu begreifen, was dort passierte, da hatte der andere schon seine Glock gezogen.
    Von allem völlig überrascht, war der Ispettore nur deshalb mit dem Leben davongekommen, weil Lucia sich nackt, wie sie war, dazwischengeworfen hatte. Das hatte den Camorrista abgelenkt, und so konnte Marino ihn entwaffnen. Dabei hätte es der wütende Ispettore auch belassen, ihn eventuell noch zweimal in den Hintern treten und ihm ein paar Ohrfeigen verpassen und nach einem wütenden »Darüber reden wir noch, Luci’« einfach wieder auf dem Absatz umdrehen sollen.
    Schließlich waren ihm bloß Hörner aufgesetzt worden.
    Stattdessen hatte er brav Anzeige erstattet: gewaltsamer Angriff auf einen Polizeibeamten, illegaler Waffenbesitz und was ihm seine Fantasie, seine Wut und das Strafgesetzbuch noch so eingaben. Und damit hatte er sein eigenes Todesurteil unterzeichnet.
    » Sient’a mme, piezz’e mmerda: tu di’mmorto! - Du elendes Stück Scheiße, du bist tot!«, hatte ihm der Mann noch zugeschrien, als er in Handschellen aus seiner Wohnung abgeführt wurde. Und machte dazu die Geste des Halsabschneidens.
    Marino hatte das nicht ernst genommen. Was soll’s, der war doch bloß ein kleines Licht. Einer, der im Viertel als Sasà’o Bellillo bekannt war: ein mieser feiger Wichser.
    Doch leider haben auch Mitglieder der Camorra Familie.
    Und Sasà war mit einem ziemlich harten Kerl aus Scampìa verwandt.
    Alle Neapolitaner wussten, dass man sich von Freunden und

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