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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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Models, die jetzt, wo überall Modenschauen stattfanden, zu jeder Tages- und Nachtzeit kamen und gingen.
    Alle völlig verrückt.
    Alle auf ihre schlanke Linie fixiert.
    Sie gingen bei Wind und Wetter und rund um die Uhr raus, um im nahe gelegenen Sempione-Park zu joggen.
    Dem jungen Mann fiel gerade noch auf, wie hübsch das Mädchen trotz des Pflasters auf der geschwollenen Lippe aussah, da war es schon verschwunden.
     

KAPITEL 20
    Donnerstag, 8. Februar, 05:00 Uhr
    Als Ivan aufwachte, war seine Zunge geschwollen, und ihm war schlecht. Eine Weile wusste er nicht, wo er war, aber dann bemerkte er, dass er so fror, da er direkt auf dem nackten, rauen Betonboden lag. Er versuchte sich zu bewegen, aber jeder einzelne Muskel seines Körpers schmerzte. Als er den Kopf hob, wurde ihm schlecht, und er musste sich übergeben.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sich sein Brechreiz langsam legte, weil er nichts mehr im Magen hatte. Nun bemühte er sich, wieder einen klaren Kopf zu bekommen, und mit der Zeit kehrten seine Erinnerungen eine nach der anderen zurück.
    Und mit ihnen die Angst.
    Martina.
    Der Raum um ihn war vollkommen dunkel. Ivan tastete suchend um sich, stand aber nicht auf, weil er nach einigen vergeblichen Versuchen begriffen hatte, dass ihn seine Beine nicht tragen würden.
    »Martina, Martina!«, rief er leise.
    Kein Laut.
    »Marti, komm schon, wach auf, sag was«, rief er etwas lauter.
    Er brauchte einige Zeit, doch dann begriff er: Er war allein.
    Daraufhin begann er so heftig zu zittern, dass er das Klappern seiner eigenen Zähne hören konnte, aber dennoch tastete er weiter den Boden ab.
    Kriechend, auf allen vieren erkundete er den gesamten Raum, bis seine Handflächen schließlich die Holztür berührten, die rau und voller Splitter war.
    Er nahm seine ganze Kraft zusammen, es gelang ihm aufzustehen, und mit vorgestreckten Armen suchte er nach dem Türgriff.
    Es gab keinen.
    Und natürlich war die Tür abgesperrt.
    Verzweifelt ging er wieder in die Hocke, um auf dem Boden nach seiner Schwester zu suchen. Aber er fand nur ihren Schulranzen. Dies war ein Schock für ihn, weil er dadurch begriff, dass er nicht träumte.
    Er und Martina, wo immer sie jetzt sein mochte, steckten in Schwierigkeiten.
    Großen Schwierigkeiten.
    Und sie war nicht mehr bei ihm.
     

KAPITEL 21
    Donnerstag, 8. Februar, 05:15 Uhr
    Nachdem sie die Residence verlassen hatte, erschauerte Nelea kurz in ihrer eng anliegenden Daunenjacke und fühlte, wie die Kälte wie mit feinen, eisigen Nadeln auf sie einstach. Sie hob das Gesicht in den Schneeregen und lächelte. Das war ihr Lieblingswetter. Ein Klima, wie sie es von Geburt an gewöhnt war.
    Kälte, Eis, Lichter im Regen.
    Und kaum ein Mensch auf der Straße.
    Um diese frühe Morgenstunde erwachte Mailand allmählich. Es herrschte ein wenig Verkehr, aber nur, weil diese Stadt eigentlich nie ganz schlief. Taxis brachten Nachtschwärmer nach Hause, Autos waren unterwegs mit Leuten, die früh mit der Arbeit anfingen und einen langen Anfahrtsweg hatten, schwer beladene Lastwagen auf dem Weg zum Obst- und Gemüsegroßmarkt. Und Straßenbahnen, die gerade aus dem Depot kamen und ihre erste Fahrt antraten.
    Aber es war still.
    Gerade diese Stille, durch die sie das Rauschen der Wagen und das aufspritzende Wasser, die quietschenden Gleise der alten Straßenbahnen aus Holz, von denen nur noch wenige eingesetzt wurden, wie verstärkt wahrnahm, ängstigte Nelea. Das Klappern der eigenen Absätze auf den rutschigen Steinen, mit denen die alten Straßen des Zentrums gepflastert waren.
    Als sie den Corso di Porta Nuova entlanglief, bemerkte Nelea, dass sie die herankommenden Wagen wesentlich früher hörte, als sie ihre Scheinwerfer sah. Das beruhigte sie, weil sie so den Bürgersteig rechtzeitig verlassen und hinter parkenden Wagen oder in Hauseingängen Deckung suchen konnte.
    Sie hatte Angst.
    Während sie rasch, aber nach außen hin ganz normal weiterlief, legte sie den ganzen Corso bis zur düsteren Rundmauer der Arena zurück. Sie beschleunigte ihre Schritte, weil sich in der Dunkelheit bereits ein leichter rosa Schein am Horizont abzeichnete.
    Nelea achtete darauf, dass ihre Absätze nicht auf dem Straßenpflaster klapperten, während sie auf ihren langen Beinen immer schneller wurde. Nur ein paar Minuten später hatte sie schon den Anfang der Via Paolo Sarpi erreicht, Mailands Chinatown, der Straße, in der sich die Läden mit chinesischen Billigwaren befanden. Diese stammten mehr oder

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