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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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weniger legal aus den Containern von riesigen Lastschiffen, die in den großen Häfen von Neapel oder Livorno anlegten, und waren bestimmt für Geschäfte vom Typ »Jedes Teil ein Euro« oder Marktstände mit der Aufschrift »Nur bei uns Designerware«.
    In der Via Paolo Sarpi gab es auch noch europäische Geschäfte, ein paar wenige nur, aber die hielten sich hartnäckig. Und einige große Kaufhäuser, zwei bis drei Buchhandlungen und zahlreiche Bäckereien. Aber es überwogen vier mal vier Meter große Verschläge, die alle bis zum Rand mit der gleichen Ware vollgestopft waren: mit Pailletten bestickte Blusen, Hosen, Daunenjacken, Jeans, Pullover.
    Nelea kniff ihre leicht kurzsichtigen Augen zusammen, um die Hausnummern zu erkennen, die man in Mailand nur an ungefähr jedem fünften oder sechsten Gebäude findet. Sie musste einige Male zurückgehen, bis sie schließlich, hinter den roten Lampions an einem Chinarestaurant verborgen, die gesuchte Nummer ausfindig machte. Sie schaute noch einmal genau hin. Dies konnte nicht der Eingang sein, nach dem sie suchte. Anscheinend galt die Nummer für den gesamten Gebäudekomplex. Als sie ein Stück weiterging, entdeckte sie endlich das große Holzportal mit der in einen Torflügel eingelassenen Tür.
    Es war abgeschlossen.
    Rechts vom Tor befanden sich das mit in lateinischen Buchstaben oder fremden Schriftzeichen geschriebenen Namen übersäte Klingelbrett und die Sprechanlage. Sie fand den gesuchten Namen und drückte viermal auf die Klingel. Kurz, kurz, Pause, lang, lang.
    Kurz darauf hörte sie das Klicken der Anlage, als hätte schon jemand mit dem Finger auf dem Türöffner gewartet, und das Schloss öffnete sich.
    Nelea sah sich vorsichtig um. Als sie durch die Tür ging, fand sie sich in einem feuchten, spärlich von einer bläulichen Neonröhre beleuchteten Hausflur wieder, die dem Ganzen eine fahle Friedhofsstimmung vermittelte.
    Verwirrt sah die junge Frau sich um. Der Gang führte direkt auf einen kleinen quadratischen, gepflasterten Hof, der mit Fahrrädern und Mopeds vollgestellt war.
    Trotz des Regens und der kalten Temperaturen roch es nach Müll und den Abfällen aus der Restaurantküche in den überfüllten Tonnen, deren Umrisse man in der dunkelsten Ecke erahnen konnte.
    Auf den kleinen Hof mündeten vier Treppenaufgänge, jeder mit einem separaten Klingelbrett. Nelea überprüfte Namen für Namen, bis sie den gesuchten auf dem des Aufgangs C fand.
    Sie drückte auf einen Knopf.
    Während sie wartete, dass man ihr die Tür öffnete, stapfte sie mit den Füßen auf den Steinstufen auf, um die Durchblutung in ihren inzwischen durch die Kälte gefühllos gewordenen Zehen anzuregen. Sie musste gut fünf Minuten warten, wobei sie langsam durch den Mund einatmete, damit sie den Gestank nicht so wahrnahm.
    In diesem Warten verbrachte sie die letzten Augenblicke ihres Lebens.
    Nelea wurde langsam ungeduldig, als ihr plötzlich jemand, der sich leise wie eine Katze angeschlichen hatte, einen schweren schwarzen, innen geteerten Jutesack über den Kopf warf. Sie versuchte, sich zu befreien, verlor aber auf den durch den Schneeregen rutschigen Betonplatten das Gleichgewicht, was ihrem Angreifer bei seinem blitzartigen Überfall half. Zwei kräftige Arme hielten sie fest, während ein weiteres Paar ihr einen dünnen Eisendraht um die Kehle legte und so ihren Kopf in dem festen Stoff einklemmte. An den beiden Enden des Drahts waren zwei kleine Metallzylinder befestigt, die ineinander eingehängt und dann festgedreht wurden.
    Eine Garotte.
    Nelea machte nicht einmal den Versuch, sich zu wehren. Durch den Luftmangel und die durch den Druck auf den Kehlkopf verursachte Unterbrechung des Blutflusses zum Gehirn verlor sie sofort das Bewusstsein. Sie sank ohne einen Laut in sich zusammen und wurde von vier Armen weich, geradezu freundlich aufgefangen und sanft auf dem Betonboden abgelegt. Als ihre Füße nicht mehr zuckten und sich ihre Muskeln vollkommen entspannten, ein Zeichen, dass die junge Frau tot war, drehte jemand die Zylinder der Garotte in die entgegengesetzte Richtung, so dass man sie entfernen konnte.
    Jemand hörte ihr Herz ab: Es schlug nicht mehr.
    Dann zog man ihr rasch die Daunenjacke aus, weil sie zu viel Platz eingenommen hätte, und die hochhackigen Stiefel, und verstaute die Leiche in dem geteerten Jutesack. Die beiden Gestalten arbeiteten in vollkommener Harmonie, knickten Neleas Beine ein, bevor die Leichenstarre eintrat, um den Umfang des Körpers so

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