Denn dein ist die Schuld
Zimmer des Stundenhotels blieben Leoni und ihr Kollege etwa eine Viertelstunde, die sie nutzte, um sich ein wenig auf den Laken auszustrecken und die schmerzenden Beine hochzulegen. Beim Gehen fragte er sie, warum sie beschlossen hatte, undercover zu arbeiten.
Ihre Antwort war knapp und unmissverständlich.
»Ich möchte diese Schweine schnappen.«
Und deiner Karriere wird es auch nicht schaden, dachte der Kollege, als er sie zu ihrem Stammplatz zurückfuhr.
KAPITEL 61
Montag, 26. Februar, 02:00 Uhr
Die Erfahrung war schmerzlich und demütigend, aber naheliegend. Ingegnere Simonella hatte schon etwas in der Richtung erwartet, und als ihn die Türklingel mitten in der Nacht aus einem unruhigen Schlaf riss, stand er sofort auf, um zu öffnen.
Die Carabinieri, die ihm die Vorladung überreichten und ihn aufforderten, ihm zu folgen, bat Luciano Simonella nur, sie mögen noch so lange warten, bis er sich ordentlich angezogen und einen kleinen Koffer mit dem Notwendigsten gepackt hatte, falls die Befragung länger dauerte oder er sogar - was Gott verhindern möge - in Untersuchungshaft kam.
Das wurde ihm gestattet.
Nachdem er noch eine kurze Nachricht an seine Frau geschrieben hatte, verließ Ingegnere Luciano Simonella um halb drei Uhr in einer kalten Nacht Ende Februar in einem grauen Anzug und einem blauen Kaschmirmantel mit einem Lederköfferchen das Haus und bot damit ein Bild, wie man es seit der großen Schmiergeldaffäre Anfang der Neunzigerjahre mit den vielen »verhafteten Bürgern« nicht mehr gesehen hatte. Die beiden uniformierten Beamten, die ihn abholten, ließen ihn in ein Zivilfahrzeug einsteigen, das vor dem Haupteingang auf der Busspur parkte. Der Beamte, der dort am Steuer sitzen geblieben war, ließ den Motor an, und dann fuhr die dunkle Limousine in aller Ruhe und ohne Sirene los.
Den knappen Kilometer bis zur Station in der Via Moscovo schaffte man zu dieser Uhrzeit auch so in wenigen Minuten, und daher musste man nicht mit quietschenden Reifen losrasen und die ganze Stadt aufwecken.
KAPITEL 62
Montag, 26. Februar, 06:30 Uhr
Abhörskandal: neue Verhaftungswelle in Mailand.
(ANSA) - Mailand, 26. Februar: Bei den Ermittlungen wegen illegaler Mitschnitte von Telefongesprächen ist es zu einer neuen Welle von Festnahmen gekommen. Vor wenigen Stunden ist auf Geheiß der Staatsanwaltschaft von Mailand eine konzertierte Durchsuchungsaktion angelaufen, in deren Zusammenhang unter anderem Ingegnere Luciano Simonella von Beamten abgeholt wurde, Topmanager einer Telecom-Tochtergesellschaft.
»Ingegnere Simonella gilt im Moment nur als ›sachdienlicher Zeuge‹«, hat der ermittelnde Staatsanwalt, Lucio Di Michele, klargestellt, der die Vorladung unterzeichnet hatte, und dazu gemeint: »Es ist notwendig geworden, ihn in die Liste der Personen aufzunehmen, gegen die ermittelt wird.«
Wie vermutlich bekannt ist, war Ingegner Luciano Simonella vor zwanzig Tagen in die Schlagzeilen geraten, als sein sechs Monate alter Sohn Giovanni entführt worden war. Seit das Baby am 7. Februar aus den Armen seines moldawischen Kindermädchens Nelea Eminescu gerissen worden war, hat man nichts mehr von ihm gehört. Die Entführer haben sich noch nicht gemeldet und bislang keine Lösegeldforderung gestellt.
Die Vorgeladenen, die von Beamten ins Präsidium begleitet und die ganze Nacht dort festgehalten wurden, wurden bereits vernommen, ehe sie zur weiteren Einvernahme zur Staatsanwaltschaft gebracht wurden. Bei ihrer Ankunft wurden sie bereits von Carlo Maria Salvini und Laura Scauri erwartet, den ermittelnden Staatsanwälten im Fall der Entführung des kleinen Giovanni Simonella und dem der vermissten Geschwister aus Rozzano. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Ermittler versuchen, eine Verbindung zwischen der Vorladung des Ingegnere und den bereits laufenden Ermittlungen herzustellen.
»Mein Klient hat nichts zu befürchten«, war der lakonische Kommentar von Simonellas Rechtsanwalt, der noch hinzufügte: »Eine einfache Aussage bei einer laufenden Ermittlung bedeutet nicht notwendigerweise, dass man darin verwickelt sein muss. Der Ingegnere nimmt es gelassen, soweit das ein Vater sein kann, der seit zwanzig Tagen nichts mehr von seinem sechs Monate alten Sohn gehört hat.«
Die Vorladung des stellvertretenden Staatsanwalts Lucio Di Michele, die Eröffnung des Ermittlungsverfahrens und die Einschreibung in die Liste der Personen, gegen die ermittelt wird, wurden mit folgender Begründung
Weitere Kostenlose Bücher