Denn die Gier wird euch verderben - Thriller
Gegenwehr, aber ehe sie ihr Gesicht erreicht hatte, wurde sie ein weiteres Mal gegen den Türrahmen geknallt. Nach dem dritten Mal wurde ihr Blickfeld an den Rändern schwarz. Die Dunkelheit schob sich von den Seiten vor. Sie hatte das Gefühl, Marcus durch ein Schlüsselloch zu sehen. Den vierten Aufprall spürte sie nicht mehr. Vage registrierte sie, dass die Beine unter ihr nachgaben. Aus ihren Armen wich alle Kraft.
Dann fiel sie. Auf Marcus.
E INES A UGUSTABENDS IM J AHRE 1919 trifft Hjalmar Lundbohm auf Polizeikommissar Björnfot. Sie beschließen, gemeinsam im Restaurant des Eisenbahnhotels essen zu gehen. Dort nehmen sie Butter, Käse und Hering zu sich und trinken dazu Schnaps und Pils, danach gibt es Lübecker Räucherschinken mit Spinat und Eiern und Schnaps, schließlich Dickmilch, Kaffee und Cognac.
Als der Whisky auf den Tisch kommt, sind beide angetrunken, aber sie sind große, kräftige Kerle und vertragen mehr Schnaps als die meisten, weshalb sie immer wieder nach Fräulein Holm, der Serviererin, winken. Sie trinken, und sie rauchen.
Sie sprechen über den Krieg, der endlich zu Ende ist. Darüber, dass jetzt neue Zeiten anbrechen. Der Direktor seufzt, weil die neue Firmenleitung sich einmischt, es muss berichtet und diskutiert und noch die letzte Kleinigkeit muss vom Aufsichtsrat entschieden werden.
»Ich bin ein Mann der Tat«, sagt er. »Wenn etwas erledigt werden muss, dann erledige ich es sofort.«
Neue Zeiten. Der Jazzbazillus und das Frauenstimmrecht. Bürgerkrieg in Russland. Und seine Zeit als Direktor wird für Herrn Lundbohm bald zu Ende sein, im Frühling wird er fünfundsechzig. Sie verlieren sich in Erinnerungen.
Am Ende bringt Hjalmar Lundbohm Elina Pettersson zur Sprache. Es sei ja kein Geheimnis, sagt er zum Polizeikommissar, dass er und die Lehrerin im Jahr vor dem brutalen Mord mehr als nur Freunde waren.
Da wird der Polizeikommissar sehr schweigsam, was der Direktor jedoch nicht zu bemerken scheint.
»Aber sie hatte ja noch andere«, sagt er und nuschelt ein wenig.
Als Polizeikommissar Björnfot ein verwirrtes Gesicht macht, fügt er hinzu: »Ich weiß es bereits. Das hat die Ermittlung doch ergeben. Es gab mehrere Kandidaten für die Vaterschaft.«
»Welche Ermittlung?«
»Ihre! Ihre Ermittlung. Das hat Obergrubenvogt Fasth mir mitgeteilt, ehe er … ja, das war ja auch eine Tragödie. Wir hatten wirklich unsere Sorgen und Bekümmernisse, nicht wahr?«
Polizeikommissar Björnfot schweigt. Er schweigt und schüttelt langsam den Kopf. Schaut in sein Whiskyglas, scheint zu zögern, entschließt sich dann doch, etwas zu sagen.
»Nein, meines Wissens hatte sie nie einen anderen. Aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Obergrubenvogt Fasth sie ermordet hat.«
Der Direktor zuckt zusammen. Wie ein Hund, der Wasser abschüttelt. Fragt sich, was zum Teufel der Polizeikommissar da redet.
Und der sieht den Direktor an und denkt: Er hat es nicht gewusst. Er hat es wirklich nicht gewusst.
Dann erzählt Björnfot. Von dem Hemd im Kachelofen. Von den Aussagen der Mädchen.
Als er fertig ist, erwartet er, dass Lundbohm etwas sagt, reagiert.
Aber der Direktor sitzt stumm und steif da, mit offenen Augen und offenem Mund.
Schließlich wird der Polizeikommissar nervös.
»Herr Lundbohm«, sagt er. »Herr Lundbohm, was ist mit Ihnen?«
Aber der Direktor hat die Sprache verloren. Und aufstehen kann er auch nicht.
Der Polizeikommissar ruft Fräulein Holm. Ein Küchenmädchen muss zum Arzt laufen, während sie gemeinsam mit einigen anderen noch verbliebenen Essensgästen Hjalmar Lundbohm in Fräulein Holms Bett schaffen.
»Er ist nicht betrunken«, ruft der Polizeikommissar. »Ich habe ihn betrunken gesehen, daher weiß ich, dass es das nicht ist. Seht ihn euch an. Er versucht ja zu reden.«
Der Arzt trifft ein, aber inzwischen kann der Direktor wieder einigermaßen sprechen und gehen.
Der Arzt hat einen Verdacht auf Nikotinvergiftung mit zunehmender Vergrößerung des Herzmuskels. Da könne es gewiss nicht schaden, den Alkoholkonsum etwas einzuschränken.
»Und das gilt auch für den Arm des Gesetzes!«
R EBECKA TREIBT AN DIE O BERFLÄCHE ihres Bewusstseins, und da schreit jemand. Der Schädel will ihr vor Schmerz zerspringen, und als sie Luft holt, stellt sie fest, dass sie nicht durch die Nase atmen kann. Es fühlt sich an, als habe ihr jemand einen dicken Lehmklumpen auf das Gesicht gedrückt.
Sie rührt sich nicht, denn die Übelkeit kommt stoßweise von innen
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