Denn die Gier wird euch verderben - Thriller
seine Kunstsammlung verpfänden.
Er büßt seine Gesundheit ein. Immer häufiger kommen die Schwindelanfälle. Er verliert das Gedächtnis. Er wird von Schmerzen gequält.
Er verliert seine Freunde. Er kann nicht länger zu eleganten Gesellschaften laden, sondern wohnt mittellos bei seinem Bruder Sixten. Der Ton seiner Briefe ist quengelig, und es geht meist um seine Schmerzen, um die kranken Knie, darum, dass der Arzt ihm alles verbietet, außer Gemüse und Mineralwasser.
Die Antworten der Freunde sind kurz und spärlich. Häufig sind es nur Ansichtskarten.
Es dämmert. Aber eins muss er noch erledigen. Dieses eine, ehe es ganz dunkel wird.
R EBECKA PACKT M ARCUS an der Jacke und zieht ihn aus dem Haus. Wie weit ist Maja noch entfernt? Wenn sie Glück hat, hat Maja Örjan die SMS von der anderen Seite des Moores aus geschickt.
Wenn sie zum Moor und zum Knüppeldamm geht, läuft sie Maja in die Arme, dorthin wagt sie sich also nicht. Sie kann durch den Wald am Wasserfall flussaufwärts gehen und dann vielleicht zur Landstraße abbiegen. Um das Moor herumlaufen.
Es ist dunkel draußen, aber alles andere als pechschwarz. Der Mond leuchtet viel zu hell am dunklen Sternenhimmel. Die Schneeflecken glänzen wie Zinnscheiben. Und man sieht zu weit. Es ist nur eine Frage von wenigen Minuten, bis Maja sie durch den Wald verfolgen wird.
Wegen Marcus geht es zu langsam. Sie geht rückwärts und zieht ihn hinter sich her, nur um sich so weit wie möglich vom Haus zu entfernen. Das ist schwer. Ihr zittern schon die Beine, und in ihrem Kopf hämmert es wie eine Dampframme.
Sie ist dankbar für das Rauschen des Wasserfalls. Das ertränkt das Geräusch ihrer Schritte, Zweige, die unter ihren Füßen zerbrechen, ihren keuchenden Atem.
Sie gibt sich alle Mühe, den Schneeflecken auszuweichen. Darf keine Spuren hinterlassen. Wenn sie nur ein wenig weiter in den Wald gelangt, kann sie sich irgendwo verstecken. Eine SMS schicken und Hilfe rufen.
Sie späht zum Weg hinüber. Und dort, nur hundert Meter weiter, sieht sie das Licht einer Taschenlampe zwischen den Bäumen flackern.
Zehn Schritte schleppen, dann einige Sekunden lang atmen. Ruhig, ruhig. Zehn Schritte schleppen. Atmen. So weit weg, wie sie nur kann. Jetzt hat sie die hohen Fichten erreicht. Schwarz stehen sie mit ihren struppigen Zweigen da und werfen lange Mondschatten auf das Moos. Sie ist jetzt ziemlich gut zwischen den Bäumen versteckt. Und Maja ist noch immer nicht im Haus angekommen.
Plötzlich löst sich etwas aus den Schatten. Die Angst erreicht Rebeckas Zwerchfell. Aber sie schreit nicht. Und sie braucht nur eine halbe Sekunde, um zu erkennen, was es ist.
Vera.
Der Hund kommt angeschwänzelt, beschnuppert kurz Marcus und trabt dann neben ihnen her, als handele es sich um einen ganz normalen Waldspaziergang.
Herrgott, sie hatte Vera vergessen.
Ein Kind und einen Hund kann sie nicht verstecken. Vera legt sich ja nicht einmal auf Befehl hin.
»Verschwinde«, flüstert sie dem Hund heiser zu und lässt Marcus mit einer Hand los, um Vera zu verjagen.
Die bleibt stehen. Dann horcht sie zur Hütte hinüber.
Rebecka hört nichts. Aber sie sieht. Das Licht einer Taschenlampe, die in alle Richtungen geschwenkt wird.
Sie zieht Marcus weiter. Vera folgt ihr.
Rebecka schaut über die Schultern zurück, um zu sehen, wohin sie unterwegs ist. Zieht Marcus über das Reisig. Zwischen Steine. Sucht nach einem möglichen Versteck. Einer Senke, wo sie sich mit Reisig und Moos bedecken können. Einer Fichte mit tief hängenden Zweigen. Egal was, egal was.
Zur Hütte schaut sie auch hinüber. Die Taschenlampe irrt an derselben Stelle herum. Dann kommt sie ein wenig näher. Irrt wieder eine Weile umher. Und wandert noch einige Schritte in ihre Richtung.
Es dauert eine Weile, bis sie begreift. Maja hat Veras Spur aufgenommen. Vera läuft durch die Schneeflecken. Maja folgt den Hundespuren. Sie braucht eine Weile, um den nächsten Schneeflecken mit Spuren zu finden, aber es geht schneller, als Rebecka mit Marcus weiterkommt.
Rebecka sieht Vera an und könnte losheulen.
Verschwinde, du blöde Töle, denkt sie.
Aber Vera verschwindet durchaus nicht. Sie folgt ihnen. Mitten durch den weichen Schnee. Hinterlässt Spuren.
Rebecka sinkt neben Marcus auf die Knie. Ihre Kräfte verlassen sie. Sie haben keine Chance. Sie können nicht entkommen. Da kann sie sich auch gleich hinlegen und die Dunkelheit kommen lassen.
»Verzeih mir«, flüstert sie ihm zu. »Ich schaffe das
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