Denn die Gier wird euch verderben - Thriller
darf.
Fasth sieht sie als Erster, denn Hjalmar hat ihr den Rücken zugekehrt. Sie geht so gelassen wie möglich an ihnen vorbei und grüßt erst, als sie genau neben ihnen steht, mit einer winzigen Kopfbewegung.
Lundbohm ruft: »Fräulein Pettersson!« Und alle drei Herren tippen ihre Hutkrempen an, das heißt, nicht Waisen-Johansson, der heute eine graue Wollmütze trägt und ein wenig unbeholfen daran herumzupft. Aber sie ist jedenfalls an ihnen vorbei mit ihrem elenden Herzen, das nur so hämmert und bebt vor Verliebtheit und Angst.
Jetzt muss sie sich zusammenreißen, um nicht auf- und davonzustürzen.
Nicht rennen, ermahnt sie ihren Körper streng, und sie spürt die Blicke der Männer im Rücken. Nicht rennen. Nicht rennen.
Obergrubenvogt Fasth lässt seinen Blick zwischen Elina und dem Direktor hin- und herwandern. So ist das also. Sie spaziert vorbei wie eine läufige Hündin, ohne Jacke oder Umhang, um ihre schlanke Taille und den üppigen Busen zu zeigen. Und ihre blonde Haarpracht. Aber der Direktor, der … der steht vor Fasth und wartet darauf, dass der weiterredet. Ob diese kleine Affäre beendet ist? Dann hat er doch freie Bahn. Wenn Wolf und Bär sich gütlich getan haben, kommen Rabe und Fuchs an die Reihe.
Lauf, kleines Kaninchen, lauf, denkt er und lässt seinen Blick von ihrer Taille mit Hüftschwung bis hinab zum Gesäß wandern. Lauf du nur, lauf.
Abends bringt ein Junge eine Billett für Elina.
»Meine liebste Elina«, steht dort, »Du bist so schnell vorbeigelaufen, dass ich Dich nicht einmal begrüßen konnte. Vielleicht hat Dich dieser Krieg mir weggenommen. Vielleicht sind Deine Gefühle erkaltet, und vielleicht hast Du sogar einen anderen gefunden. Wenn das so ist, möchte ich trotzdem Dein Freund bleiben, und als Freund lade ich Dich heute Abend zum Essen ein. Kannst Du? Willst Du? Dein H.«
Sie sieht nur »liebste Elina«, liest das Wort »liebste« wieder und wieder. Dann rennt sie zu ihm. Ja, sie ist krank vor Liebe. Noch vor dem Nachtisch landen sie im Bett.
Und sie fragt nicht: »Liebst du mich? Bin ich dir wichtig? Was soll eigentlich aus uns werden?«
Aber sie sieht ihn an. Er schläft ein, als hätte ihm jemand einen Schlag auf den Kopf versetzt. Wenn er wenigstens ein wenig geplaudert hätte wie sonst. Wenn er geflüstert hätte, dass er sie liebt, und dann fest wie ein Kind in ihren Armen eingeschlafen wäre. Doch nein, er dreht sich auf den Rücken, und schon schläft er. Sie steht auf und wäscht sich den Unterleib. Kehrt zurück ins Bett. Schaut ihn ein wenig länger an. An Schlafen ist nicht zu denken.
Ihre Gedanken sind wie Kieselsteine. Mit jedem wachen Atemzug atmet sie Kiesel ein. Bald ist sie nur noch ein Haufen aus den grauen Schlacken des Bergwerks. Er liebt sie nicht. Sie bedeutet ihm nichts.
Am Ende zieht sie sich an und geht mitten in der Nacht nach Hause. Während er weiterschläft.
Auf dem Luossajärvi ist das Eis jetzt fest. So mitten in der kalten Nacht wird es rasch dicker. Es knackt und dröhnt. Die Samen haben ein besonderes Wort dafür: jåmidit , wenn das Eis singt, schreit, ohne dass jemand es betritt.
Auf dem ganzen Heimweg heult das Eis in Elinas Ohren, es weint ohne Unterlass, es klagt und knackt.
Z IEMLICH SICHER « , SAGTE M ARIANNE A SPHULT bei Be-We:s und zeigte auf das Passfoto von Jocke Häggroth. »Eigentlich sogar ganz sicher. Der kauft ab und zu hier ein. Aber ich weiß nicht, ob er auch mal eine Telefonkarte gekauft hat.«
Anna-Maria Mella sah sich im Laden um. Richtig nett hier, sie war noch nie hier drin, obwohl es den Laden schon seit Ewigkeiten gab.
Marianne Asphult betrachtete die Fotos der beiden Männer, die nach Sivvings Aussage in der Gegend von Abisko Fischerei-Archen stehen hatten.
»Natürlich kaufen die vielleicht auch ab und zu hier ein, aber ich kann mich nicht an sie erinnern. Und ich glaube schon, dass … nein.«
Anna-Maria Mella nickte.
»Danke«, sagte sie.
»Darf ich dann eine Frage stellen«, sagte Marianne Asphult. »Hat das etwas mit dem Mord in Kurravaara zu tun?«
Anna-Maria schüttelte bedauernd den Kopf. »Nein, verstehe«, sagte Marianne Asphult. »Nehmen Sie sich doch was Süßes, wenn Sie mögen. Oder die Abendzeitung.«
Die Leute sind so nett, dachte Anna-Maria, als sie den Kiosk verließ. Hilfsbereit und freundlich. Die wenigsten befassen sich damit, ihren Nächsten umzubringen.
Dann rief sie von Post an. Es war Zeit, Jocke Häggroth zum Verhör zu holen.
R EBECKA M ARTINSSON FUHR
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