Denn die Gier wird euch verderben - Thriller
auf und ab und murmelte: »Das war nicht unsere Schuld.«
Wieso denn unsere?, dachte Anna-Maria. Nicht wir haben die Vernehmung im Krankenhaus durchgeführt.
Sie rief bei Rebecka Martinsson an.
»Das ist eine verdammte Katastrophe«, sagte sie. »So was von unnötig. Sein Jüngster ist so alt wie Gustav.«
»Ja«, sagte Rebecka.
Dann erzählte sie von dem Hemd.
»Pohjanen hat es ins SKL geschickt. Gib zu, dass das seltsam aussieht: Sie wird erstochen, ihr Sohn drei Jahre zuvor überfahren, ihr Vater vermutlich erschossen, Marcus …«
Sie verstummte.
»Das weißt du doch alles selber.«
»Es muss ein besoffener Jäger gewesen sein, der in Panik geraten ist«, sagte Anna-Maria. »Das wäre nicht das erste Mal. Wenn es überhaupt ein Einschussloch ist. Und dann buddelt der Bär ihn aus.«
»Hmm«, sagte Rebecka.
»Häggroth hat gestanden, Rebecka. Es ist zu schrecklich, dass er sich aus dem Fenster gestürzt hat, aber er war es. Und er hatte keinen Grund, ihren Vater zu ermorden oder ihren Sohn zu überfahren. Manchmal ist es einfach Zufall.«
»Ich weiß«, sagte Rebecka.
»Ich muss Schluss machen«, sagte Anna-Maria. »Jetzt geht es los. Am liebsten würde ich mich hier verstecken, bis alles vorbei ist.«
»Wo bist du?«, fragte Rebecka.
»Auf dem Klo. Aber jetzt muss ich wohl da raus. Bis dann.«
Rebecka Martinsson beendete das Gespräch mit Anna-Maria. Sie trank ihren kalten Kaffee und las die SMS , die Krister geschickt hatte.
»Wir spielen Verstecken«, stand da. »Und du?«
Ja, dachte sie. Sich verstecken. Verstecken spielen.
Sie legte das Telefon beiseite.
Sie konnte sie vor sich sehen. Krister und Marcus. Krister, der suchte, Marcus, der sich versteckte. Anna-Maria, die sich auf der Toilette versteckte.
Ja. Und in Sol-Britts Haus hatten alle unteren Küchenschranktüren offen gestanden. Natürlich hatte jemand nach Marcus gesucht. Gedacht, dass der sich versteckte.
»Ich verstehe das einfach nicht«, sagte sie zu Rotzwelpe, der zu ihren Füßen saß und anbetungsvoll ihre Butterbrote anstarrte.
»Aber sicher haben sie Recht. Warum hätte Jocke Häggroth die ganze Familie umbringen wollen?« Sie kraulte Rotzwelpe am Hals.
»Willst du was von mir abhaben? Hast du nicht erst vor zehn Minuten gefressen?«
Nö, sagte Rotzwelpe. Das habe ich vergessen. Der Hunger, der nagt wie eine Wühlmaus in meinen Eingeweiden.
R ECHTSANWALT M ÅNS W ENNGREN saß in seinem Büro in der Kanzlei Meijer & Ditzinger.
Er war der einzige Teilhaber, der noch im Haus war. Nur aus den Büros der Assoziierten fiel Licht. Ab und zu tappten sie leise über die echten Teppiche auf dem Gang, um Kaffee oder Wasser zu holen.
Eine angestellte Kollegin kam vorbei, blieb in der Tür stehen und fragte ihn etwas. Er registrierte, dass sie sich die Mühe gemacht hatte, neuen Lipgloss aufzutragen, ehe sie ihr Büro verlassen hatte, und überlegte vage, ob er sie zum Essen einladen und auf Rebecka pfeifen sollte.
Aber mittlerweile riskierte man etwas Schlimmeres als ein Nein. Man konnte lächerlich wirken. Sie könnte zu einer der anderen Angestellten gehen und sagen: »Ganz ehrlich, was bildet der sich denn ein?«
Auf seinem Monitor sah er die Pressekonferenz in Kiruna.
Verdammte Trottel. Wie hatten sie zulassen können, dass er sich aus dem Fenster stürzte? Nach einem Geständnis einfach abzuhauen!
Er zog seinen Macallan aus der untersten Schublade und nahm einen raschen Schluck aus der Flasche. Dann zog er eine Schachtel Rachenpastillen hervor und warf mehrere ein.
Bei der Pressekonferenz antwortete Carl von Post auf alle Fragen.
Måns zeigte auf ihn.
»Du mieser Arsch! Da müsste mein Mädel sitzen!«
»Wir haben ein Geständnis und einen tragischen Todesfall«, sagte von Post. »Aus polizeilicher Sicht ist die Ermittlung abgeschlossen.«
Diverse Kameras in der Luft, um ein gutes Bild zu erhalten, diverse fuchtelnde Hände und Leute, die ihn mit Fragen bombardierten.
»Ist er denn nicht bewacht worden? Wie konnte das passieren?«
»Natürlich wurde er bewacht.«
Von Post legte eine lange Pause ein. Biss die Zähne so fest zusammen, dass sich seine Kiefermuskeln verspannten.
»Natürlich. Aber unser Mann befand sich in einem Krankenhaus …«
Er ließ diese Information einsinken und redete dann weiter, den Blick direkt auf die größte Kamera gerichtet.
»Ein Mörder hat sich das Leben genommen. Das ist zutiefst tragisch. Wir werden alle damit leben müssen. Und unser Mitgefühl gilt den Angehörigen. Aber,
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