Denn die Gier wird euch verderben - Thriller
Unvermittelt und überstürzt. Sie hatte Jahre gebraucht, nur um damit umgehen zu können, wie er den Hörer auflegte.
Dann ging sie zu ihrem Mann, der mit einem Aperitif in der Hand und dem Familienfoxterrier zu seinen Füßen auf dem Howard-Sofa saß.
»Måns?«, fragte er, ohne vom Fernsehen aufzublicken.
»Weißt du was?«, fragte sie und küsste ihn auf den Kopf, zum Zeichen, dass sie hierher gehörte. »Er hat mich um Entschuldigung gebeten. Das hat er wirklich. Träume ich? Ich glaube, ich brauche einen Drink.«
»Unglaublich«, sagte ihr Mann. »Hat er Krebs oder was?«
Anna-Maria Mella quälte sich neben von Post durch die Pressekonferenz. Sie fühlte sich klebrig und hatte bohrende Kopfschmerzen.
Und für diese Mordermittlung hatte sie also ihre Loyalität verkauft.
Sie hätte ihn zum Teufel schicken sollen. »Scher dich zum Teufel, du Rechtsverdreher«, hätte sie sagen sollen, als sie Rebecka die Ermittlung abgeluchst hatten.
Alf Björnfot stand ganz hinten im Raum und machte ein verbissenes Gesicht. Sie versuchte sich einzureden, es sei seine Schuld, es war ja seine Entscheidung gewesen.
Aber das änderte nichts daran, dass sie sich anders hätte verhalten müssen.
»Ein Mörder hat sich das Leben genommen.« Von Post schaffte es, diesen Satz in seiner Darlegung und der darauffolgenden Fragerunde ganze drei Mal anzubringen. Am nächsten Morgen würde das mindestens eine Schlagzeile abgeben.
Und diese arme Assistenzärztin. Die wurde jetzt schon gejagt, sie hatte gesehen, wie etliche auf ihre Mobiltelefone einhackten, als von Post andeutete, dass das Krankenhaus die Verantwortung trage.
Die Hoffnungslosigkeit hatte sie gepackt. Man sollte Verbrecher jagen und glücklich sein, wenn man sie fasste. Das sollte für alle unaufgeklärten Verbrechen entschädigen, für alle, die entkamen, für die begrenzten Mittel, die Zeitnot, für alle Frauen, die von ihren Männern geschlagen wurden, und für alle Akten, die liegen blieben, geschlossen, archiviert wurden.
Man sollte sie nicht aus einem Fenster jagen. Das war ein Scheißgefühl.
Jetzt verbreitete sich die Pest wieder. Die Ermittlung sei effektiv und professionell geführt worden, behauptete er. Sieh an, dachte Anna-Maria. Das war ja mal was Neues.
Weit hinten im Zimmer hinter den Rücken der Presseleute und Fotografen wurde die Tür geöffnet, und Sonja von der Telefonzentrale kam herein. Die Brille mit dem blauen Rahmen hing an einem roten geflochtenen Band um ihren Hals. Sie hatte die Haare mit einer großen Spange befestigt, und ihre Bluse war adrett gebügelt.
Sie flüsterte Alf Björnfot ziemlich lange ins Ohr. Dabei zogen sich seine Augenbrauen immer weiter in die Höhe. Er murmelte eine Antwort. Sie zuckte ruckhaft die Achseln und flüsterte weiter. Dann starrten beide Anna-Maria an.
Alf Björnfot reckte sich. Dann nickte er heftig, zum Zeichen, dass sie kommen sollte.
Anna-Maria schüttelte unmerklich den Kopf, zum Zeichen, dass das nicht möglich sei.
Er nickte langsam und warf ihr einen Jetzt-sofort-Blick zu.
»Entschuldigung«, murmelte Anna-Maria und verließ ihren Platz.
Sie registrierte von Posts raschen Seitenblick.
Scher dich zum Teufel, du Rechtsverdreher, dachte sie und schlüpfte mit Alf Björnfot und Sonja von der Telefonzentrale aus dem Raum.
»Was ist los?«, fragte sie.
»Na ja«, sagte Sonja in ihrem singenden Finnlandschwedisch. »Ich wollte nicht stören. Aber ich hab mir gedacht, das hier kann nicht warten.«
Sie öffnete die Tür zum Vernehmungsraum. Dann verließ sie Anna-Maria und Alf.
Auf der Tischkante saß ein Mann von Mitte dreißig.
Er trug eine ausgebeulte Daunenjacke und darunter eine Kapuzenjacke, eine altmodische grüne Militärhose und Schnürstiefel. Auf dem Kopf saß eine handgestrickte Mütze. Die Bartstoppeln waren so ausgewachsen, dass sie in wenigen Tagen schon Bart genannt werden konnten. Er passte sehr schlecht in den spartanisch möblierten Raum mit dem kleinen Besprechungstisch und den für die Behörden produzierten blau bezogenen Stühlen. Er hatte rote Augen wie ein Albinokaninchen. Das Gesicht war aufgedunsen vom Suff.
Ach, ach, ach, dachte Anna-Maria. Vielleicht ein Bekloppter, der gestehen will?
Er musterte sie mit einem Blick, der Anna-Maria an die Male erinnerte, wenn sie im Dienst mit einer Todesnachricht zu Angehörigen hatte fahren müssen.
»Seid ihr von der Polizei?«, fragte er.
Sowie er anfing zu reden, begriff Anna-Maria, dass er nicht bekloppt war. Nur
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