Denn die Gier wird euch verderben - Thriller
das bloß für ein Beruf?, überlegte Anna-Maria Mella und versuchte, nicht die nassen Kinderschuhe und die in der Diele hängenden kleinen Steppanoraks anzusehen. Kinder zu Waisen machen und Flüchtlingsfamilien holen, wenn sie abgeschoben werden. Ach, verdammt. Ich glaube, ich hasse meinen Beruf.
Die Kollegen Fred Olsson und Tommy Rantakyrö standen hinter Anna-Maria und verhielten sich abwartend. Auf dem ganzen Weg nach Kurravaara hatte keiner von ihnen auch nur ein Wort gesagt.
Tommy Rantakyrö trat zweimal von einem Fuß auf den anderen, hob die Arme und legte sich eine Hand in den Nacken. Dann kratzte er sich ausgiebig.
Stillgestanden, dachte sie wütend.
Jenny kam in die Diele, ungewaschene Haare, Jogginghose und Kapuzenpullover. Die Augen verengt vor Hass.
»Es tut mir leid«, versuchte es Anna-Maria vorsichtig. »Aber Sie müssen mit uns kommen.«
»Damit ihr mich auch noch aus dem Fenster stoßen könnt?«
»Jenny, so verstehen Sie doch…«
»Du!«, schrie Jenny so laut, dass die Polizisten und die Schwester zusammenfuhren. »Du darfst nicht einmal meinen Namen aussprechen! Ist das klar, du Bullenhure! Scheißbullen. Kotzbrocken!«
Ohne sie aus den Augen zu lassen, schlug sie mit der Faust gegen den Spiegel in der Diele. Der zerbrach, und die Scherben fielen zu Boden.
Die Polizisten starrten entsetzt Jennys blutüberströmte Hand an.
»Jenny!«, rief ihre Schwester.
»Fresse!«, brüllte Jenny.
Dann schrie sie nach oben.
»Kinder! Herkommen! Sofort!«
Zwei Jungen tauchten oben an der Treppe auf. Der ältere trug im Haus eine Mütze, ein weites T-Shirt und weite Jeans. Der jüngere hatte ebenfalls ein weites Hemd und Schlabberjeans an und hielt eine Spielkonsole in der Hand. Er versuchte, den älteren an der Hand zu nehmen, aber der Bruder wich aus.
»Hier«, kreischte Jenny Häggroth und hielt ihre blutigen Hände hin. »Kommt schon her mit den Handschellen. Macht doch. Vor meinen Kindern. Das hier sind die Schweine, die Papa umgebracht haben.«
»Können Sie nicht einfach mitkommen?«, bat Anna-Maria. »Ganz ruhig bleiben.«
»Ruhig? Dir werd ich’s zeigen«, sagte Jenny Häggroth und machte einen raschen Schritt auf Anna-Maria zu.
Die konnte sich gerade noch die Hände vors Gesicht schlagen, bevor Jenny Häggroth über sie herfiel. Mit einer Hand ihre Haare packte und mit der anderen zuschlug. Beim Versuch, Anna-Marias Gesicht zu treffen, ihre Unterarme erwischte, ihr Gesicht in den zerbrochenen Spiegel zu drücken versuchte. Die Kinder und die Schwester schrien los.
Tommy Rantakyrö und Fred Olsson stürzten sich auf Jenny Häggroth und zerrten sie von Anna-Maria weg. Jenny spuckte und trat um sich, konnte eine Hand befreien und Fred Olsson das Gesicht zerkratzen.
Der rief: »Mein Auge« und schlug die Hände vor das eine Auge.
Da trat Tommy Rantakyrö vor, versetzte Jenny einen Fausthieb und zog sie zu Boden. Sofort hockte er sich auf sie und drehte ihr die Arme auf den Rücken.
Anna-Maria half, ihr die Handschellen anzulegen, und sie schleiften sie aus dem Haus, während Jenny, ihre Schwester und die Kinder noch immer schrien.
Fred Olsson zeigte Tommy sein Auge.
»Noch alles dran«, stellte Tommy Rantakyrö verbiestert fest und massierte sich die rechte Hand.
Dann setzte sich Fred Olsson hinter das Lenkrad.
»Hallo«, sagte Anna-Maria. »Das ist immer noch mein Wagen.«
»Verdammt, Mella«, brüllte Fred Olsson. »Steig jetzt ein und halt die Klappe. Das Letzte, was wir hier brauchen können, ist, dass du uns alle zu Tode fährst.«
Dann fuhren sie. Und waren ebenso still wie auf der Hinfahrt.
Jenny Häggroth schwieg nicht. Sie schrie auf dem ganzen Weg zur Wache. Sie seien Nutten und Arschficker und Missgeburten und Volltrottel. Sie werde sie kleinkriegen und umbringen und sich rächen, und sie sollten sich ja in Acht nehmen.
Niemand befahl ihr, den Mund zu halten. Anna-Maria musterte verstohlen Jennys Gesicht. Rot geschwollen nach Tommy Rantakyrös Volltreffer, und die zerschnittene Hand musste doch behandelt werden.
Als Jenny Häggroth auf der Wache von Post sah, teilte sie ihm ebenfalls mit, was sie von ihm hielt, es ging ausführlich um seine abweichende sexuelle Veranlagung. Dann erklärte sie, überraschend ruhig: »Ich sage kein Wort mehr, solange kein Anwalt da ist, und ich will Silbersky.«
Sie wurde in eine Zelle geschlossen, und Carl von Post versprach, er werde versuchen, ihr den Anwalt ihrer Wahl zu besorgen.
»Sie steht trotz allem unter
Weitere Kostenlose Bücher