Denn Gruen Ist Der Tod
Efeuranke gesteckt hatte. Sie reichte es Shaw. »Ich habe das hier in dem Grab gefunden, wo die Leiche von James entdeckt wurde.«
Shaw hielt das Fläschchen gegen das Licht und blinzelte kurzsichtig.
»Mir wurde gesagt, Sie seien auch so eine Art Efeu-Experte.«
»Experte? Da bin ich nicht so sicher, aber ich beschäftige mich damit.«
»Können Sie mir irgendetwas zu diesem hier sagen? Leider habe ich nicht viel davon, der Rest wird gerade untersucht.«
Shaw lehnte sich in seinem Sessel zurück und ließ das Fläschchen sinken. »Es ist schon ziemlich braun an den Rändern, aber ich glaube, ich kann Ihnen helfen. Sie haben es auf dem Friedhof gefunden, sagten Sie?«
Sam nickte. »Ja, ich glaube, es war möglicherweise um Mark James' Handgelenk gewickelt.«
»Das macht Sinn, wenn es, wie Sie offensichtlich glauben, irgendein rituelles Element in diesem Mordfall gibt. Die meisten solcher Rituale werden an einem geweihten Ort abgehalten.«
»Ich dachte, Charlie wäre oben auf einem Berg getötet worden?«
»Ja natürlich, aber Primrose Hill ist doch ein solcher geweihter Ort. Er wurde schon immer mit Hexenzauber und Teufelswerk in Verbindung gebracht. Wann wurde James ermordet?«
»Wir sind nicht ganz sicher, er wurde seit dem 20. September vermisst.«
Shaw nickte wissend. »Einen Tag später, am 21., ist Herbst-Tagundnachtgleiche, das ist eine der acht größten Hexensabbat-Feiern im Jahr. Die dann beginnende Periode, die den Okkultisten wohl bekannt ist, ist eine Zeit voller Ruhelosigkeit und psychischem Stress. Sie beginnt kurz vor dem Ende des Weinmonats und läutet den Monat des Efeus ein.«
»Wann ist der nächste Sabbat?«
»Am 31. Oktober, er heißt Sambain. Wir feiern an diesem Tag Halloween. Es ist der Beginn des keltischen Winters, die dunklen Kräfte kommen an diesem Tag machtvoll zum Vorschein.«
Sam setzte sich plötzlich kerzengerade auf. »Aber das ist ja heute!«
»Ist denn irgendetwas passiert?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Sieht so aus, als wären Sie noch einmal davongekommen.«
Sam sah ihn unsicher an. Machte er sich über sie lustig?
Graham Dawes betrachtete die beiden jungen Golden Retriever, die im Zwinger in seinem Garten herumsprangen. Für ihre sechs Monate waren sie schon ziemlich groß und er konnte sie kaum noch in Schach halten. Sogar in der Hundeschule war er mit ihnen gewesen, aber sie hatten kläglich versagt. Er wusste nicht, ob es an ihm selbst oder an den Hunden gelegen hatte. Er war einfach zu sanft und jetzt blieben ihm nur drei Möglichkeiten: sie einschläfern zu lassen, sie zu verkaufen oder wegzugeben. Er überlegte, dass er zunächst versuchen wollte, sie zu verkaufen, und wenn das nicht klappte, tja … Er zuckte mit den Schultern. Die Hunde sprangen an dem Gatter hoch, ihre Augen waren klar und strahlten, und sie wedelten wild mit ihren Schwänzen. Es war Zeit, sie wieder einmal auszuführen. Ein schnelles Bier in der Kneipe und dann würde er sie eine halbe Stunde im Park laufen lassen. Das sollte genügen, dachte er. Er steckte seine Hand durch den Zaun und ließ sie an seinen Fingern lecken, bevor er wegging, um die Hundeleinen zu holen.
Es war ein großes Gewächshaus und es war sehr beeindruckend. Seltene Orchideen verschiedenster Art wuchsen hier und die Variationen von Formen und Farben waren wunderschön. Shaw war selbstverständlich stolz auf seine Sammlung und rühmte sich damit, Pflanzen aus aller Herren Länder zu züchten. Als Sam das Gewächshaus betrat, wurde sie von einem betörenden Duft überwältigt. Sie sah sich entzückt um und entdeckte seine Quelle: eine Stephanotis wuchs zwischen den anderen farbenprächtigen Orchideen. Sam hielt ihre Nase ganz dicht an eine der trompetenförmigen Blüten und sog den Duft tief ein. Er war überwältigend und herrlich. Das musste er auch sein, aber das Formalin griff bereits ihren Geruchssinn an, wie bei Dutzenden ihrer Freunde und Kollegen. Wenn diese Beeinträchtigung irgendwann zu stark würde, wären ihre Tage als Pathologin gezählt. Denn von allen fünf Sinnen war der Geruchssinn für sie der wichtigste. Auch wenn sie im Laufe ihres Lebens einmal ihr Augenlicht verlieren sollte und ihren Garten und die Pflanzen nicht mehr sehen konnte, so blieb ihr wenigstens der Duft. Und ohne den Duft wäre das Leben nicht mehr lebenswert.
Weiter hinten im Gewächshaus sah alles auf einmal ganz anders aus. Hier gab es die umfassendste Sammlung von Efeugewächsen, die Sam je gesehen hatte. Jede
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