Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
schicke, stört das den Unterricht.«
Mit ihren Hausaufgaben unter dem Arm verließ Eliza das Büro der Direktorin. Sie musste sich zurückhalten, um nicht nach der Hand ihrer Tochter zu greifen oder ihr das Haar zu streicheln, das sie zu einem perfekten Pferdeschwanz zurückgebunden hatte. »Komm mit«, sagte sie. Und als sie die Schule verlassen hatten: »Wir haben noch genug Zeit für ein Eis, bevor wir Albie abholen. Hast du Lust?«
Iso beäugte ihre Mutter misstrauisch. »Ein Eis?«
»Ja.«
»Warum?«
»Warum nicht?«
Iso überlegte. »Das wäre Albie gegenüber unfair.«
»Es muss nicht jeder immer das Gleiche bekommen, damit das Leben fair ist.«
Eliza hatte sich selbst ein Bein gestellt, die Anspielung auf den Vorfall in der Schule war zu deutlich ausgefallen.
»Ich habe viele Hausaufgaben auf. Wenn wir direkt nach Hause fahren, könnte ich schon mal anfangen, und du könntest Albie mit Reba zu Fuß abholen, wie immer.«
»Was hältst du davon, wenn wir Albie zusammen abholen und zum Rita’s gehen?«
»Den ganzen Weg bis zu Oma?« Iso und Albie sprachen das Haus instinktiv immer Inez zu, nie Manny, aber es war auch Inez’ Reich. Elizas Vater hätte überall mit Freuden gelebt, solange nur Inez bei ihm war. Seine Umgebung war ihm egal.
»Es gibt bestimmt eine Filiale in der Nähe. Und wenn nicht, bleiben immer noch Gifford’s oder Baskin-Robbins.«
Mit einem knappen Nicken ließ sich Iso gnädig auf Elizas Vorschlag ein. Damit gewann sie doppelt. Sie bekam ein leckeres Eis, und wenn Albie dabei war, würde Eliza nicht versuchen, sie zu bereden. In solchen Dingen war sie raffiniert, was Eliza unwillkürlich bewunderte; ihr selbst war dieser Zug im gleichen Alter völlig abgegangen.
Andererseits war Holly Tackett – die vollkommene, selbstsichere Holly, nicht einmal ein Jahr älter als Iso jetzt – in Walter Bowmans Pick-up gestiegen, weil er ihr fünfzehn Dollar versprochen hatte, während er Elizabeth an den Handgelenken hatte mitzerren müssen. Ehrlich gesagt war es Eliza scheißegal, wenn Iso irgendein Mädchen gekränkt hatte, weil es nicht an ihrem Tisch sitzen durfte, doch sie hatte Angst, dass dieses Selbstvertrauen Iso in eine Situation bringen könnte, die sie nicht unter Kontrolle hatte.
Aber als sie später Iso und Albie bei Baskin-Robbins dabei zusah, wie sie sich mit doppelten Portionen Eis den Appetit aufs Abendessen verdarben, wurde ihr klar, dass nicht Walter Bowman, gefangen in einer Zelle und seinen eigenen Parenthesen, das Problem war. Das Problem waren die ganzen anderen Walters, die vielen Walters, die aus der Erde hervorbrachen, egal wie oft man sie zerstampfte, so wie die Armee von Skeletten, die in der Sage vom Goldenen Vlies aus Drachenzähnen wuchsen. Der Staat Virginia würde ihren Peiniger töten, aber sie konnte nicht all die Menschen aufspüren und eliminieren, die ihren Kindern vielleicht wehtun würden.
Und doch tröstete irgendwo in ihrer Stadt, vielleicht sogar in diesem Moment, eine Mutter ihr Kind, das Iso für den Feind hielt.
Kapitel 24
In Sussex I war es nie wirklich still. Ganz egal, wie viele Männer dort saßen, ob es beinahe voll war oder so spärlich belegt wie jetzt, mit fünfzehn Männern in einer Abteilung, die für fünfzig gebaut war. Dieser Ort war laut. Und die Geräusche klangen seltsam, schwer zu verorten, fegten sie um Ecken oder prallten von den Wänden ab, beinahe wie etwas Lebendiges, das sie belauerte. Walter verursachte es fast Schmerzen, wenn ein Rückkehrer nach alter Tradition mit Tritten gegen die Tür begrüßt wurde, trotzdem würde er diese Ehrerweisung niemandem verweigern. Immerhin gebührte ihm der Rang des einzigen Mannes, den man zweimal so empfangen hatte.
Jetzt, wohl gegen ein Uhr, lag er wach und lauschte auf die Geräusche, die scheinbar nur nachts aufkamen und wie kleine Dschungelwesen durch die Abteilung streiften. Knallen, Pfeifen, Echos. Man sollte meinen, dass sich ein Mensch nach über zwanzig Jahren daran gewöhnt hätte, aber er fand die nächtlichen Geräusche noch immer störend. Sie weckten ihn zwar nicht auf, machten es aber ungleich schwerer, wieder einzuschlafen. Er dachte, er hätte vielleicht eine Art Störung, ein überempfindliches Gehör. Sein Vater hatte laute Geräusche nicht vertragen – Fernseher und Radio mussten immer auf ein leises Brummen heruntergedreht werden. Er behauptete, er brauche die Ruhe, weil er den ganzen Tag lang von Scheppern und Dröhnen umgeben war. Als junger Mann hatte
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