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Denn mit Morden spielt man nicht - Granger, A: Denn mit Morden spielt man nicht - Mixing with murder

Denn mit Morden spielt man nicht - Granger, A: Denn mit Morden spielt man nicht - Mixing with murder

Titel: Denn mit Morden spielt man nicht - Granger, A: Denn mit Morden spielt man nicht - Mixing with murder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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trollte er sich. Ich atmete erleichtert auf, doch ich war ihn nicht für immer los, das wusste ich bereits jetzt. Er würde nach Hause fahren und die Stallards informieren oder Lisa warnen. Doch Lisa war nicht da, hatte er gesagt – und niemand hatte mir geöffnet. Wenn ich hätte raten müssen – und mehr als raten konnte ich nicht –, dann würde er nicht mit den Stallards reden, bevor er nicht mit Lisa gesprochen hatte. Er würde die alten Leute nicht unnötig in Aufregung versetzen wollen. Er hatte Mickey Allertons Namen erwähnt, also wusste er viel zu viel für meinen Geschmack. Ich hingegen wusste nicht, wie viel die Stallards über Lisas Flucht aus dem Silver Circle wussten. Ich hätte wetten können, dass Lisa ihnen irgendeine Geschichte erzählt hatte, die nicht notwendigerweise in jedem Detail der Wirklichkeit entsprach.
    Es nennt sich Generationskonflikt und funktioniert, einfach gesagt, folgendermaßen: Junge Leute erzählen den älteren nicht, was sie machen, weil sie keine endlosen Vorträge und keine Einmischung wollen. Sie entschuldigen ihr Verhalten damit, dass sie sagen, sie wollten nicht, dass sich ihre Eltern sorgen.
    Eltern und andere Erwachsene sprechen mit den Kindern nicht über alles aus einem Instinkt heraus, der Angst entspringt. Sie wissen nicht, wie ihre Kinder auf schlechte Neuigkeiten reagieren, und sie wissen nicht, wie sie als Erwachsene mit dieser Reaktion zurechtkommen, wenn es so weit ist. Sie hoffen, dass sie das Problem nur lange genug ignorieren müssen, damit es wieder verschwindet. Sie reden sich ein, dass sie die Unschuld ihrer Kinder beschützen. Sie sagen sich gegenseitig, dass das, was sie tun, nur zum Besten der Kinder geschieht.
    Als meine Mutter von zu Hause fortging, hat mir niemand gesagt, dass sie nicht wiederkommen würde. Ich meine, was haben sie sich dabei gedacht? Dass ich es nicht bemerken würde? Ich erinnere mich, wie ich eines Abends beim Essen gefragt habe, wo meine Mutter sei. Dad starrte finster vor sich hin und antwortete nicht. Großmutter verteilte Gulasch mit einer Schöpfkelle, als würde das Überleben des Westens davon abhängen, und meinte schließlich, meine Mutter wäre in Urlaub gefahren, und ich sollte rasch aufessen, damit es nicht kalt würde.
    Der »Urlaub« dehnte sich endlos, und meine Mutter kehrte nicht wieder zurück. Niemand erklärte mir, was das zu bedeuten hatte. Ich fragte nicht noch einmal nach ihr. Ich hatte erkannt, dass Vater und Großmutter nicht darüber reden wollten. Gelegentlich streichelte mir Großmutter sanft über das Haar und nannte mich ein armes mutterloses Kind, besonders dann, wenn sie vom selbstgemachten Aprikosenbranntwein gekostet hatte. Ich wollte widersprechen, dass ich nicht mutterlos war. Ich hatte eine Mutter, doch sie war in diesen mysteriösen Urlaub gefahren. Später fragte ich mich, ob sie tot war, doch es hatte keinerlei Anzeichen der üblichen Aktivitäten gegeben, die mit Beerdigungen einhergehen. Dad hatte keine schwarze Krawatte an. Großmutter hatte ihr altes schwarzes Samtkleid nicht entstaubt. Keine einzige Schnittblume stand in einer Vase vor der Porträtfotografie meiner Mutter auf dem Kaminsims. Stattdessen verschwand das Bild mitsamt Rahmen. Ich frage mich heute noch, was daraus geworden ist. Hat mein Vater es wütend vernichtet, oder hat er es voller Kummer versteckt? Es war nicht unter seinem Nachlass, den Großmutter und ich aufteilten, nachdem er gestorben war. Oder vielleicht war es unter dem Nachlass, und Großmutter hatte es beiseitegeschafft, bevor ich es sehen konnte, weil sie immer noch fürchtete, Erklärungen abgeben zu müssen.
    Weder während meiner Kindheit noch später, als ich älter wurde, kam einer der beiden Erwachsenen zu mir und gestand mir die Wahrheit, dass meine Mutter weggelaufen war und uns im Stich gelassen hatte. Ich musste selbst dahinterkommen. Ich erfuhr nie, warum sie es getan hatte, und in den ersten Jahren fragte ich mich verwundert, wieso sie mich nicht mitgenommen hatte. Jahre später, als ich sie wiedertraf, fragte ich sie nicht danach. Verstehen Sie – ich war inzwischen selbst erwachsen geworden und hatte wie alle anderen gelernt, vorsichtig zu sein, was Erklärungen angeht. Meine Mutter erzählte nicht von sich aus, warum sie uns verlassen hatte, und damit war das konspirative Schweigen vollkommen.
    Inzwischen sind alle tot, Dad, Großmutter und meine Mutter. Und in meiner persönlichen Geschichte ist ein Schwarzes Loch geblieben.
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