Denn mit Morden spielt man nicht - Granger, A: Denn mit Morden spielt man nicht - Mixing with murder
alles in ein silbriges Grau, und die Kübelpflanzen warfen geisterhafte Schatten. Sie erschienen als massige Umrisse, ohne dass ich im Stande gewesen wäre, Details zu erkennen. Über der rückwärtigen Mauer war ein hellerer fluoreszierender Lichtschein von einer Straßenlaterne. Plötzlich meinte ich, einen Schatten zu erkennen, der sich vor der Mauer bewegte, unter dem Überhang der wuchernden Wisteria. Ich schloss die Augen und öffnete sie erneut, um angestrengt zu der Stelle zu starren, doch die Bewegung wiederholte sich nicht. Im Garten unten war alles ruhig und friedlich.
Vielleicht war es nur eine nächtliche Brise in den Wisteria-Ranken gewesen, sagte ich mir, oder eine streunende Katze. Vielleicht war es sogar ein Fuchs gewesen. Füchse wagten sich heutzutage bis in die Dörfer und Städte vor. Wenn ich in London spät nach Hause kam, war ich mehr als einmal dem ein oder anderen unbekannten Tier begegnet und hatte kleine glänzende Augen bemerkt, bevor sich die Kreatur zur Flucht wandte. Die Nacht erscheint uns immer nur leer und einsam. Ich musste daran denken, wie Großmutter Varady mich jedes Mal zu überzeugen versuchte, dass Katzen und Schatten und Nachtvögel nichts waren, wovor man sich fürchten musste, wenn ich vom Schrei einer Eule draußen oder von einem unerklärlichen Rascheln und Tappen an meiner Fensterscheibe völlig verängstigt in meinem Kinderbett lag und mich von Monstern umzingelt glaubte.
Es bedurfte nur geringer Anstrengungen der Fantasie, um sie dort draußen zu sehen.
Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich hinter der Scheibe meines Zimmers für jede dort draußen lauernde Kreatur wahrscheinlich sehr viel besser zu erkennen war als die betreffende Kreatur für mich. Hinter mir brannte meine Nachttischlampe, leuchtete mich von hinten an und zeigte Details der Zimmereinrichtung. Der Gedanke machte mich nervös, auch wenn ich mir sagte, dass niemand dort draußen war, der Anlass dafür geboten hätte. Ich ließ den Vorhang fallen, tappte zu meinem Bett und kletterte wieder hinein, dankbar für die Wärme, die noch unter den Laken geblieben war.
Ich schaltete das Licht aus und lehnte mich zurück, um abwechselnd zu lauschen und unruhig zu dösen. Meine kurze Berührung mit der Natur hatte meine Sinne alarmiert. Sämtliche Geräusche klangen unnatürlich laut, und das Hotel war ein altes Haus. Holz arbeitet, wenn sich die Temperaturen ändern. Alte Dielenbretter knarren, Fenster- und Türrahmen setzen sich, es gibt Dutzende der verschiedensten Raschel-, Knack- und Knarrgeräusche. Als diese Häuser gebaut wurden, hatte man jedes Schlafzimmer mit einem Kamin ausgestattet. Im Schornstein über diesem Kamin, der längst nicht mehr in Funktion und verschlossen worden war, schliefen wahrscheinlich Vögel, und wenn sie sich im Schlaf rührten, lösten sie alten Ruß an den Wänden, der mit leisem Geräusch nach unten rieselte und dort ein dumpfes Prasseln erzeugte.
Ich war nicht der einzige Mensch, der um diese späte Stunde wach lag. Über meinem Kopf schien noch ein Zimmer zu sein, unter dem Dach. Jemand bewegte sich dort oben. Ich vernahm leise, regelmäßige Schritte. Ich spitzte die Ohren und hörte außerdem die leisen Hintergrundgeräusche eines laufenden Fernsehers. Wer auch immer sich dort oben aufhielt, er schlief genauso wenig wie ich. Der Gedanke, in diesen späten Nachtstunden gewissermaßen einen Gefährten zu haben, war ein eigenartig tröstliches Gefühl. War es der verbliebene Gast, der Handelsvertreter? Ich bezweifelte es. Das war bestimmt kein besonders komfortables Zimmer dort oben. Falls der Handelsvertreter nicht zugleich der männliche Besucher war, der bei Beryl schlief, dann hatte er schätzungsweise das große Zimmer mit dem Erkerfenster, das zur Vorderseite des Gebäudes ging.
Ich versuchte bewusst, all diese Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen. Vielleicht, so sagte ich mir, während ich endlich langsam eindämmerte, vielleicht sieht morgen Früh alles ganz anders aus. Es besteht immer die Chance zu einem ersten Mal.
KAPITEL 4
Es ist merkwürdig, in einer fremden Umgebung aufzuwachen. Ich war am Ende doch noch tief und fest eingeschlafen, trotz all meiner Sorgen und meines nächtlichen Ausflugs zum Fenster. Ich schlug die Augen auf und fragte mich, wo ich war. Mein Blick richtete sich auf das schreckliche Bild des weinenden Kindes, und dann fiel mir alles wieder ein.
Ich stieg aus dem Bett und steckte vorsichtig den Kopf durch die Tür nach draußen. Ich
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