Denn mit Morden spielt man nicht - Granger, A: Denn mit Morden spielt man nicht - Mixing with murder
Lisa. Obwohl ich aus den genannten Gründen vermutete, dass sie ihren Eltern womöglich nicht alles erzählt hatte, schien es so, als hätte sie ihren hartnäckigen, wenngleich inkompetenten Nachbarn eingeweiht. Das war äußerst beunruhigend.
Es wurde inzwischen spät, und ich hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen außer dem Tunfischsandwich in der Paddington Station und ein paar Schokoladenkeksen in Beryls Küche. Ich schätzte, dass ich dem selbsternannten Bewacher der Stallards wohl nicht mehr begegnen würde, und beschloss, in ein Lokal zu gehen, um dort etwas zu essen. Und tatsächlich, er war weg, Gott sei Dank. Ich fand ein Weinlokal, das Speisen anbot, und bestellte mir einen griechischen Salat mit Knoblauchbrot. Danach fühlte ich mich besser, und weil es draußen immer noch hell war, unternahm ich einen Spaziergang.
Auf der Magdalen Bridge beugte ich mich über das kunstvoll geschmiedete Geländer und starrte hinunter in das Wasser, das gegen die vertäuten Stechkähne plätscherte. Ich dachte an die Kanalbrücke in Camden und verspürte Heimweh nach den überfüllten Straßen Londons und seiner vertrauten Silhouette. Ich dachte an Onkel Hari, der Stechkähnen nicht traute, und kam bei genauerem Hinsehen zu dem Schluss, dass er möglicherweise nicht ganz unrecht hatte. Wer, der noch recht bei Trost war, würde auf einem größeren Teetablett über den Fluss fahren? Ich dachte an Ganesh, dessen kluge Worte ich jetzt dringend gebrauchen und nicht haben konnte. Es war zu spät, um im Zeitungsladen anzurufen. Abgesehen davon wusste ich, was er mir sagen würde – dass ich gleich morgen Früh in den ersten Zug nach London steigen sollte.
Inzwischen war es zehn Uhr abends, doch immer noch waren reichlich Leute unterwegs, als ich den Plain überquerte auf dem Heimweg in mein Hotel. Es war dunkel, und in den Häusern brannten Lichter. An den Wänden standen außerordentlich viele Fahrräder. Im Hotel brannten keine Lichter mit Ausnahme der Wohnung im Souterrain, wo Beryl ihr privates Quartier hatte. Ich sperrte die Tür auf und betrat eine verlassen und still daliegende Halle. Aus dem Souterrain drangen leise Stimmen. Vielleicht hatte Beryl den Fernseher laufen. Dann brach die Unterhaltung ab, und ein Mann lachte laut. Eine weibliche Stimme fiel ein. Sie klang sehr nach Beryl. Kein Fernsehen, sondern ein männlicher Besucher.
In der Halle stand ein Münzfernsprecher und auf einem Regal daneben ein Telefonbuch von Oxford und Umgebung. Ich nutzte die Gelegenheit und schlug die Nummer der Stallards nach, um sie mir zu notieren. Dann schlich ich leise nach oben, um zu Bett zu gehen.
Ich konnte nicht schlafen. Ich schaltete die Nachttischlampe ein und las die Informationsblätter und Prospekte für den Fremdenverkehr. Nach einer ganzen Weile hörte ich, wie noch ein Gast nach Hause kam. Schritte auf den Stufen und dann oben im Gang, der zu den Zimmern führte. Leises Flüstern mit amerikanischem Akzent. Einige der anderen Gäste waren zurück. Danach war alles wieder still bis auf das Geräusch eines Wagens, der den Plain umrundete und in die Iffley Road abbog, wo er wieder beschleunigte. Einmal hörte ich den Pudel kläffen und musste an Beryl denken, die inzwischen ihre Prothese abgeschnallt hatte, um zu Bett zu gehen. Ich fragte mich, ob sie ihr Bett mit dem männlichen Besucher teilte und ob der fehlende Fuß ihn störte. Wahrscheinlich nicht. Oder vielleicht fand er das Fehlen des Fußes ja sogar faszinierend, als sexuell erregend. Es gibt ein paar sehr merkwürdige Gestalten da draußen. Dann fragte ich mich, wie Jennifer Stallard wohl ihren Mann Paul ins Bett brachte und ob sie vielleicht Hilfe von außerhalb hatte. Es gibt mehr als eine Art von Lahmheit. Ich war in meiner Handlungsfreiheit eingeschränkt, außerstande, meine eigenen Entscheidungen zu treffen, und musste stattdessen Befehle von Dritten entgegennehmen.
Ich schwang die Beine über die Bettkante und ging eine Weile im Zimmer auf und ab in dem Versuch, meine Ruhelosigkeit abzuschütteln. Meine Füße trugen mich zum Fenster. Ich zog den schweren Vorhang zurück und spähte nach draußen.
Das Wetter war klar, und nirgendwo war eine Spur von herannahendem Regen zu entdecken, mit Ausnahme vielleicht von einer oder zwei kleineren Wolken, die wie dunkle Flecken über den kobaltblauen abendlichen Himmel zogen. Ich konnte den Garten in seiner gesamten Länge sehen und sogar die Tür in der Mauer am anderen Ende ausmachen. Das Mondlicht tauchte
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