Denn rein soll deine Seele sein
zynisch.«
»Nicht zynisch. Realistisch. Ich habe ja auch ein Kind großgezogen, und es ist gut geraten. Aber in dieser Welt gibt es nun mal die Cynthia Deckers und die Cory Schmidts. So ist das Leben.«
Er lächelte. »Sehen wir zu, daß wir das Protokoll hinter uns bringen. Du gehörst ins Bett.«
Rina packte die Handtücher in den Trockner und startete die Maschine. Herausnehmen und zusammenlegen konnte sie die Wäsche morgen. Sie gingen zur Tür. Auf dem Weg blieb Decker stehen.
»Was ist?« fragte Rina erschrocken.
Decker legte den Finger an die Lippen und lauschte eine Minute intensiv. Als er Rinas verängstigtes Gesicht sah, kam er sich schäbig vor.
»Gar nichts. Ich habe mir nur das Geräusch des Wäschetrockners angehört. Für einen anderen Fall, den ich bearbeite.«
»Was ist das für ein Fall?«
»Das sage ich dir, wenn er unter Dach und Fach ist.«
»Also zerbrich dir nicht dein hübsches Köpfchen, liebes Kind«, ergänzte sie trocken. Aber insgeheim war sie doch sehr erleichtert.
Er lachte und war versucht, sie ganz spontan zu kitzeln oder sich über die Schulter zu werfen. Dann hätte sie gezappelt und sich gewehrt, sie wären beide hingefallen, und zum Schluß, erschöpft von dem Gebalge, hätten sie sich in den Armen gelegen und sich geliebt.
Schöne Phantasien...
Er sah sich den Wäschetrockner näher an. Es war eine große, schwere Maschine, eine Speed Queen. Noch einen Augenblick lauschte er dem lauten Summen nach. »Jetzt können wir gehen«, erklärte er schließlich.
Behutsam legte er einen Arm um Rinas Schulter und berührte mit den Fingern ihr Schlüsselbein. Sie wandte sich um, lächelte ihm zu und machte sich los. Er hatte es nicht anders erwartet. Es blieb bei den Phantasien.
»Was war mit Cory?« fragte Rina, als sie draußen waren.
»Er wird mit einem Denkzettel davonkommen. Übrigens hat er seine Freunde verpfiffen, und wir haben ihnen deinen Füller abgenommen. Hier ist er.«
Sie nahm ihn etwas zerstreut entgegen. »Ein Denkzettel, mehr nicht? Der Bursche hat mir ein Messer an die Kehle gesetzt.«
»Glücklicherweise hast du keine Verletzungen erlitten. Außerdem fällt er noch unter das Jugendrecht und ist nicht einschlägig vorbestraft.«
»Das ist doch nicht zu fassen!«
»Reg dich nicht auf, es ist nur eine Frage der Zeit, bis er wieder etwas anstellt. Früher oder später fängt er sich in der eigenen Schlinge. Immerhin hat er die mutwilligen Zerstörungen in der Jeschiwa zugegeben. Als ich ihn nach dem Überfall auf Mrs. Adler fragte, hat er natürlich behauptet, er habe keine Ahnung. Und was er in der bewußten Nacht gemacht hat, weiß er angeblich nicht. Ich werde seine Angaben natürlich nachprüfen. Aber ich persönlich glaube, daß er mit der Sache wirklich nichts zu tun hat. Ein ausgebuffter Kunde wie unser Cory hätte für so einen Fall sofort ein Alibi bei der Hand gehabt.«
Er lockerte den Schlips und öffnete den obersten Hemdenknopf. Die verflixte Hitzewelle war noch immer nicht zu Ende.
Rina schwieg.
»Wenn der Bursche sich dir jemals wieder auf fünfzig Meter nähert, sag mir Bescheid. Dann wird es ihm leid tun.«
Vor ihrem Haus blieb Rina einen Augenblick stehen. »Meine Eltern sind heute abend als Babysitter eingesprungen. Ich habe ihnen von heute vormittag erzählt. Sie haben sich ziemlich aufgeregt.«
»Kein Wunder.«
Sie zögerte noch einen Augenblick, dann schloß sie auf und ließ Peter eintreten.
Decker fiel es nicht leicht, in dem gepflegten Ehepaar, dem er gegenüberstand, Rinas Eltern zu sehen. Die Mutter war größer als Rina, gertenschlank und geschmeidig. Das tiefschwarze Haar umrahmte in weichen Wellen ein perfekt geschminktes ovales Gesicht. Sie trug eine hellblaue Seidenbluse, marineblaue Hosen und Eidechslederschuhe. Um den Hals hatte sie eine geflochtene Goldkette mit einem herzförmigen Brillanten.
Rinas Vater war ein paar Zentimeter kleiner als seine Frau, aber kräftig gebaut. Er hatte müde Augen mit schweren Lidern, eine breite Nase und einen buschigen grauen Schnurrbart. Auf dem dichten grauen Haar saß eine kleine gestrickte Jarmulke.
»Du bist spät dran«, sagte Rinas Mutter. Ihr Akzent erinnerte Decker an Zsa Zsa Gabor.
»Ich habe gesagt, daß ich gegen halb elf hier sein würde, Mama. Jetzt ist es knapp halb.«
»Es ist Viertel vor elf. Ich habe mir schon Sorgen gemacht.« Sie sah Decker an. »Ist das der Polizist?«
»Ja, das ist Detective Decker. Peter, das sind meine Eltern, Mr. und Mrs. Elias.«
Mrs.
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