Denn rein soll deine Seele sein
shem tov, deinen guten Namen. Es wäre ein chillul Hashem, wenn jemand dich für den Täter halten würde. Die Gojim sollen doch nicht denken, daß wir eine Bande von ganovim sind.«
»Das ist richtig. Sehr richtig. Shem tov ist so wichtig. Ein guter Name ist wichtig. Ganz wichtig.«
Das Gespräch schmerzte sie sehr. Sie sah die beiden jungen Männer noch vor sich, Yitzchak und Moshe, wie sie mit leuchtenden Augen über ihren Büchern gesessen hatten. Jetzt war der eine tot, der andere unzurechnungsfähig. Einen Augenblick verspürte sie Zorn auf Hashem. Schlimm genug, daß das mit Yitzchak geschehen mußte. Aber wie konnte Er so grausam zu Moshe sein? Doch sehr rasch fiel ihr Zorn in sich zusammen, an seine Stelle traten Gewissensbisse, wie immer, wenn Glaubenszweifel sie plagten.
»Bitte, Moshele, lauf nachts nicht mehr im Wald herum. Versprich es mir.«
»Ja, das tu ich. Danke dir, das tu ich. Danke dir sehr.«
Sie stand auf und ließ ihn in seiner wirren Welt allein.
Rina nahm die Heimkehrenden an der Tür in Empfang. »Sie haben gewonnen«, rief Sammy aufgeregt.
»Ich weiß, ich habe mir die Übertragung im Radio angehört.«
Zu Deckers Überraschung trat sie vors Haus und machte die Tür hinter sich zu.
»Kinder, geht doch mit Detective Decker, Cindy und Eric in den Garten und zeigt ihnen unseren Orangenbaum.«
»Ma at osah, Ima?« fragte Sammy.
»Shmuel Dov, lechu kulchem hachutza achshav!« sagte sie energisch, dann wandte sie sich lächelnd an ihre Gäste. »Es ist wirklich ein schöner Baum. Entschuldigt mich bitte noch einen Augenblick.« Damit verschwand sie wieder im Haus und ließ sie auf der Schwelle stehen.
Sammy krauste die Stirn. »Wollt ihr den Baum anschauen?«
»Aber sicher«, sagte Decker. Insgeheim fragte er sich, was hier gespielt wurde, und ärgerte sich, daß Rina ihn nicht hereingebeten und eingeweiht hatte.
»Na, dann los«, meinte Jake.
Cindy kicherte. »Ist das ein jüdischer Brauch, Dad?
Nach dem Baseballspiel huldigt man dem heiligen Orangenbaum ...«
»Das war eine taktlose und völlig überflüssige Bemerkung, Cynthia«, fuhr Decker sie an.
Cindy machte ein betretenes Gesicht und sah zu Boden. Decker legte seufzend einen Arm um ihre Schulter. »Schon gut, Cindy. Ich weiß auch nicht, was hier los ist.«
Der Baum, eine fünf Meter hohe Mandarinorange, hing voll reifer Früchte.
Sammy pflückte eine ab, schälte sie, sprach leise ein Gebet und schob sich eine Spalte in den Mund. »Sie sind ganz toll süß.« Er reichte den Rest an Decker und die jungen Leute weiter.
»Ihr könnt welche pflücken«, sagte Jake. »Ima hat bestimmt nichts dagegen.«
»Klar, warum nicht?« Eric griff zu. »Wir haben ja nichts Besseres zu tun.«
Während die jungen Leute Mandarinen pflückten, ging Decker wieder nach vorn und fixierte Rinas Haustür mit bösem Blick. Am liebsten hätte er sie eingetreten. Er haßte es, im dunkeln zu tappen. Auch deshalb arbeitete er wie ein Besessener an all seinen Fällen. Er brauchte das Gefühl, einen Abschluß erreicht zu haben.
Gleich darauf öffnete sich die Tür. Rina erschien Arm in Arm mit einer jungen Frau. Sie sprachen noch ein paar Worte miteinander, dann gab Rina der anderen einen Kuß auf die Wange. Decker betrachtete nachdenklich ihr Profil - und dann erkannte er sie.
Es war Sarah Libba Adler, aber sie war völlig verändert. Heute wirkte sie viel jünger und nicht so zerbrechlich. Die blonde Perücke mit dem schulterlangen Haar umrahmte ein glattes, zartes Gesicht. Äußerlich waren die Wunden verheilt, aber innerlich waren bestimmt Narben geblieben.
Rina sah ihr noch einen Augenblick nach, dann ging sie in den Garten. Decker folgte ihr.
»Ich hole euch eine Tüte«, sagte sie zu den jungen Leuten. »Pflückt nur, soviel ihr wollt.«
Rina bemerkte sofort, daß Peter und Cindy sich umgezogen hatten. Cindy trug eine kurzärmelige Bluse und einen leichten Baumwollrock, Peter ein Polohemd und Designerjeans, die nagelneu aussahen und in denen er ein wenig seltsam wirkte -wie ein kleiner Junge, der für den Kindergeburtstag feingemacht worden ist.
Sie ging rasch ins Haus zurück, brachte die versprochenen Tüten und außerdem Tassen und eine Kanne mit Eistee.
»Es war ein knapper Sieg«, sagte sie zu Sammy.
»Aber ein tolles Spiel.« Er trank durstig. »Weißt du, was wir noch erlebt haben?«
»Einen Raubüberfall. Im Polizeifunk«, fuhr Jake mit funkelnden Augen dazwischen. Rina sah Peter an. »Tatsächlich?«
»Ein bewaffneter
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