Denn rein soll deine Seele sein
Explosionen, und die Tür gab nach.
Decker half ihr hoch, setzte sich in den Sessel und nahm sie in die Arme. Einen Augenblick klammerte sie sich an ihn, dann löste sie sich aus seinem Griff.
Decker sah sich um. Das Fenster war kaputt, der Fußboden mit Glasscherben übersät. Er lud den Revolver nach und griff zum Telefon.
»Die Leitung ist tot«, sagte Rina.
»Der Mistkerl hat das Kabel durchgeschnitten.« Peter sprach in sein Funkgerät. »Hier Nummer 16-552, erbitte umgehend Verstärkung zur Jeschiwa Ohavei Torah, Deep Canyon Thoroughfare 344 in Deep Canyon. Streifenwagen an die nordöstliche Ecke, zur Mikwe, ich buchstabiere: Martha - Ida - Kaufmann - Wilhelm - Emil.«
Er schaltete das Funkgerät aus und schob mit der Schuhspitze die Scherben zusammen. »Ich muß Florence suchen, Rina. Wenn sie da draußen allein ist, kann ich die Verstärkung nicht abwarten.«
»Einverstanden. Gehen wir?«
Decker zögerte. »Am besten wartest du hier. Beim letztenmal hatte der Kerl eine Kanone und konnte verdammt gut damit umgehen. Im Dunkeln kann ich dich nicht ausreichend schützen, am Ende kriegst du noch einen Querschläger ab.«
Rina war wie gelähmt vor Angst bei dem Gedanken, in der Mikwe allein bleiben zu müssen. Aber sie sagte nichts. Florence ging jetzt vor.
Decker holte einen kleinen Revolver aus dem Gürtelhalfter. »Ich hatte Ersatz mitgebracht. Manchmal läßt einen die Dienstwaffe im Stich, und ich wollte kein Risiko eingehen. Sieh dich vor, sie ist entsichert. Wahrscheinlich wirst du sie nicht brauchen, aber im Notfall zielst du auf den Körper, nicht auf den Kopf, da sind deine Trefferchancen besser.«
Sie nickte und nahm ihm die Waffe ab.
»Wenn die Verstärkung kommt, schick sie gleich hinter mir her.«
Er knipste seine starke Taschenlampe an und machte sich auf den Weg.
Das trockene Unterholz knackte unter seinen Schritten, Insektenschwärme umschwirrten ihn. Er arbeitete sich langsam und umsichtig den Hang hinauf. Auf halber Höhe stieg ihm ein widerlich-süßlicher Geruch in die Nase. Witternd wie ein Jagdhund ging Decker dem Gestank nach. Etwa zehn Meter weiter kam er zu einer Grube vor einer Eichenpflanzung.
Die große, kaffeebraune Frau, die ihn so herzhaft auf den Rücken geschlagen hatte, lag da wie ein gestrandeter Wal. Ein Bein stand rechtwinklig vom Körper ab, der linke Fuß baumelte nur noch an einer Sehne, ein Arm war halb aus dem Gelenk gerissen. Das Gesicht war in Todesangst erstarrt. Der Schnitt quer über den Hals war tief und klaffend und wimmelte von Fliegen und Mücken. Ihr Darm hatte sich entleert, und in der Nähe war der Gestank fast unerträglich. Decker ging zurück zur Mikwe.
Rina sah ihn am Waldrand auftauchen. Er war nicht lange weg gewesen - es mußte etwas Schlimmes geschehen sein.
Die Verstärkung war gekommen, und Decker winkte die Kollegen zu sich heran.
»Was gibt's?« fragte Ramirez.
»Mord in etwa achtzig Meter Höhe, linker Hand, dort, wo die Eichen stehen. Am besten fangen wir gleich an, die Spurensicherung ist verständigt.«
»Und wie ist es passiert?«
Decker nahm Ramirez beiseite. »Der Mörder hat ihr die Kehle durchgeschnitten.«
Schon näherten sich die ersten Jeschiwaschüler. »Verflixt«, knurrte Decker. »Das werden bald noch mehr, die Sirenen und Scheinwerfer locken sie an. Sieh zu, daß sie sich aus dem Wald und aus der Mikwe heraushalten, Luis, die Gaffer zertrampeln uns sonst alle Spuren.«
Rina gab Decker seinen Revolver zurück. Er schob ihn in den Gürtel. »Das ist auch für mich kein Routinefall«, sagte er behutsam. »Für dich muß es die Hölle sein.«
Sie sah ihn an. »War es schlimm?«
Er zögerte, aber mit Ausflüchten war niemandem gedient. »Sehr schlimm.«
Rina liefen Tränen über die Wangen. »Sie war ein wunderbarer Mensch, Peter. Du hast sie ja kennengelernt. Warum sie? Warum wir?«
»Ich weiß es nicht, Rina, aber ich werde es herausbekommen, das schwöre ich dir.« Er lockerte seinen Schlips. »Bringst du es fertig, hier allein zu bleiben, oder soll ich noch warten?«
»Nein, geh nur an deine Arbeit«, sagte sie gepreßt.
»Ich bin gleich wieder da. Wenn die anderen kommen, sollen sie den Lichtern nachgehen.«
Und dann kamen sie in Scharen, Marge, Hollander, ein Dutzend Polizisten, die Spurensicherung, Krankenwagen, ein unbekannter Beamter, der aussah wie ein Schwergewichtsboxer. Rina verschwamm alles vor den Augen, die Kehle wurde ihr eng, und dann begann sie verzweifelt zu schluchzen.
Sie spürte, wie
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