Denn rein soll deine Seele sein
Macko...«
»Mit Schicksen mach ich's nicht. Die faß ich nicht an. Nicht mal mit der Feuerzange faß ich die an.«
Decker verschwamm einen Augenblick alles vor den Augen. Als er wieder klar sehen konnte, merkte er, daß er seinen Revolver umkrampft hielt. Langsam ließ er die Hände in den Schoß sinken.
22
Der Rosch-Jeschiwa begrüßte Decker herzlich und bat ihn, die beiden großen Kartons auf seinen Schreibtisch zu stellen. Die große Rosenholzplatte, auf der eine schützende Glasscheibe lag, bot ein Bild mustergültiger Ordnung, ein für Decker schier unbegreifliches Phänomen. Behutsam, um das Glas nicht zu verkratzen, stellte er die Kartons ab. Nachdem Macko hinter Schloß und Riegel saß, konnte er sich wieder einmal den Luxus eines freien Abends leisten.
Er sah sich um. Das Arbeitszimmer wirkte gediegen und anheimelnd zugleich. Sanfte Beleuchtung, Teppichboden aus dunkelbraunem Velours, braunes Ledersofa, zwei wildlederne Ohrensessel. An der hinteren und der rechten Wand reichten die mit religiösen Schriften gefüllten Bücherregale vom Boden bis zur Decke, ein Regal mit weltlichen Werken -Philosophie und amerikanisches Recht - bildete gewissermaßen das Kontrastprogramm. Der Schreibtisch stand so, daß der Rabbi beim Arbeiten durch das Panoramafenster einen Blick auf die Naturschönheiten des Canyons hatte.
Aber zum Schaustück wurde das Zimmer durch die Glasvitrinen mit den Kunstgegenständen aus Gold und Silber an der linken Wand.
Liebevoll begann Schulman seine Schätze zu erläutern. Da war die Sammlung der menoras -schwere deutsche Silberarbeit aus dem 17. und 18. Jahrhundert, zierliches Filigran aus Italien, Bronze und Jerusalemer Stein aus Bezalel, der Kunstakademie in Israel. Eine Vitrine enthielt nur Besomimbüchsen - Miniaturtürme mit vergoldeten Glöckchen und Fahnen - von den besten Silberschmieden Europas, alle gestempelt und datiert. In einer weiteren Vitrine standen silberne und holzgeschnitzte Etrogdosen für das Laubhüttenfest. Darunter lagen Zeigestäbe in Form einer Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger.
»Wozu sind die?« wollte Decker wissen.
»In der Synagoge bringt ein Vorleser - der ba'al kriah - den Wochenabschnitt zu Gehör«, erklärte der Rabbi. »Die heiligen Schriften dürfen nicht mit den Fingern berührt werden, deshalb benützt der ba'al kriah einen sogenannten Thorazeiger, um den Text zu verfolgen.«
Leuchter, Becher, Thorakronen galt es zu bewundern, kunstvolle Metallarbeiten, herrliches Schnitzwerk. Decker war überwältigt von dem Reichtum einer Kultur, die mehr als zweitausend Jahre überlebt hatte.
»Das ist nur ein Bruchteil meiner Sammlung«, sagte der Rosch-Jeschiwa. »Aber es sind die wertvollsten Stücke.«
»Geradezu unglaublich, Rabbi.«
»Wenn wir einmal mehr Zeit haben, zeige ich Ihnen meine hebräischen Manuskripte. Ich kann sie nicht ständig ausstellen, zu starker Lichteinfall würde an dem Pergament nicht wiedergutzumachenden Schaden anrichten. Aber jetzt lassen Sie sehen, was Sie mitgebracht haben. Es ist schon spät, und alte Augen ermüden schneller.«
Der Rabbi trat an seinen Schreibtisch und holte aus einem der Kartons ein Gebetbuch heraus.
»Ich glaube kaum, daß etwas wirklich Wertvolles dabei ist. Jedenfalls nichts, was sich mit Ihren Stücken messen könnte.«
»Ganz im Gegenteil. Jeder siddur ist unbezahlbar, weil er den Namen des Höchsten birgt.«
Er blätterte das nächste Buch durch. »Sie sind gut bis sehr gut erhalten. Bei einer Auktion dürften sie Preise von fünfzig bis zweihundert Dollar erzielen. Aber für mich persönlich sind sie viel mehr wert. Der Gedanke, daß sie in unrechte Hände kommen könnten, tut mir weh. Sollten Sie daran denken, die Bücher zu verkaufen, würde ich Ihnen einen guten Preis zahlen.«
»Ich habe keine Verkaufsabsichten. Aber ich überlasse sie Ihnen gern, wenn ich sie von Zeit zu Zeit besuchen darf.« Der Rosch-Jeschiwa lächelte. »Einverstanden.«
»Sind sie historisch von Bedeutung?«
»Nur für einen Juden aus ihrem Ursprungsland. Die meisten dieser Bücher kommen aus Deutschland. Rina Miriam hat mir gesagt, daß sie dem Großvater Ihrer geschiedenen Frau gehörten. Er muß demnach ein deutscher Jude gewesen sein.«
»Ja, aber dieses Buch hier ist auf hebräisch geschrieben, mit einer Widmung in einer anderen Sprache, die mir nicht nach Deutsch aussieht.«
Die Augen des Rabbi leuchteten auf. »Das ist Polnisch. Wie eine Familie ihr Erbe so gering achten kann, ist mir
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