Denn vergeben wird dir nie
habe es satt, hier zu
liegen.«
»Das ist ein gutes Zeichen, Paulie.«
»Ich möchte wieder arbeiten. Waren heute viele Kunden
zum Mittagessen da, als du gegangen bist, Mama?«
»Ziemlich viele«, sagte sie sanft, mit einem zufriedenen
Lächeln.
»Du solltest nicht so viel Zeit hier verbringen, Mama.«
»Das muss ich auch nicht mehr, Paulie. Du wirst bald
wieder zu Hause sein.« Sie blickte zu mir. »Es gibt im
Geschäft ein kleines Zimmer hinter der Küche. Greta hat
dort ein Sofa und einen Fernseher aufgestellt. Paulie kann
bei uns bleiben, so viel in der Küche arbeiten, wie er sich
selbst zutraut, und sich dazwischen ausruhen.«
»Klingt gut«, sagte ich.
»Paulie, jetzt sag uns, was du auf dem Herzen hast
wegen des Anhängers, den du in Rob Westerfields Wagen,
gefunden hast«, ermutigte ihn seine Mutter.
Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was nun kommen
würde.
»Ich hab den Anhänger gefunden und ihn Rob gegeben«,
sagte Paulie langsam. »Das hab ich dir erzählt, Ellie.«
»Ja.«
»Das Kettchen war gerissen.«
»Das hast du mir auch erzählt, Paulie.«
»Rob hat mir zehn Dollar Trinkgeld gegeben, und ich
habe es zu dem Geld getan, das ich für deinen Geburtstag
gespart habe, Mama.«
»Das stimmt, Paulie. Das war im Mai, ein halbes Jahr
vor Andreas Tod.«
»Ja. Und der Anhänger hatte die Form eines Herzens,
und er war golden mit schönen blauen Edelsteinen in der
Mitte.«
»Ja«, sagte ich aufmunternd.
»Ich hab gesehen, wie Andrea ihn getragen hat, und ich
bin ihr zur Garage gefolgt und habe gesehen, wie Rob
auch reingegangen ist. Später habe ich ihr gesagt, dass ihr
Vater böse sein würde, und dann hab ich sie gefragt, ob sie
mit mir zum Tanzen geht.«
»Das ist genau, was du mir letztes Mal erzählt hast,
Paulie. Genau so ist es passiert, nicht wahr?«
»Ja, aber irgendetwas war falsch. Du, Ellie, hast etwas
gesagt, was falsch war.«
»Lass mich nachdenken.« Ich versuchte, das Gespräch
zu rekonstruieren, so gut ich konnte. »Das Einzige, woran
ich mich erinnere und was du eben noch nicht erwähnt
hast, ist, dass ich davon gesprochen habe, dass Rob noch
nicht einmal einen neuen Anhänger für Andrea gekauft
hat. Er hat die Initialen ihrer Vornamen, Rob und Andrea,
auf einen Anhänger eingravieren lassen, den vermutlich
irgendein anderes Mädchen in seinem Auto verloren
hatte.«
Paulie lächelte. »Das ist es, Ellie. Das ist es, woran ich
versucht habe, mich zu erinnern. Rob hat die Initialen
nicht auf den Anhänger eingravieren lassen. Sie waren
schon darauf, als ich ihn gefunden habe.«
»Paulie, das ist nicht möglich. Ich weiß, dass Andrea
Rob Westerfield nicht vor Oktober kennen gelernt hat.
Und du hast den Anhänger im Mai gefunden.«
Seine Miene blieb fest. »Ellie, ich erinnere mich genau.
Ich bin sicher. Ich hab sie gesehen. Die Initialen waren
schon auf dem Anhänger. Es war nicht ›R‹ und ›A‹. Es
war ›A‹ und ›R‹. ›A. R.‹, in sehr schöner Schrift.«
43
ICH VERLIESS DAS KRANKENHAUS mit dem Gefühl,
dass die Ereignisse außer Kontrolle geraten waren. Alfies
Geschichte und die Planskizze auf meiner Website hatten
allem Anschein nach den erwünschten Effekt gehabt: Rob
Westerfield war von dem Erbe seiner Großmutter
ausgeschlossen worden. Indem sie das getan hatte, hätte
Mrs. Westerfield ebenso gut vor der ganzen Welt
verkünden können: »Ich glaube, dass mein einziger Enkel
einen Anschlag auf mein Leben geplant hat.«
Diese furchtbare Einsicht und bittere Entscheidung
waren ohne Zweifel die Ursache für ihren schweren
Herzanfall. Mit zweiundneunzig Jahren schien es mir sehr
unwahrscheinlich, dass sie ihn überleben würde.
Erneut musste ich an die ruhige, würdevolle Art denken,
mit der sie unser Haus verlassen hatte, als mein Vater sie
aufgefordert hatte zu gehen. Es war das erste Mal
gewesen, dass sie wegen ihres Enkels Schande ertragen
musste. Oder doch nicht das erste Mal? Schließlich war
Arbinger die Schule gewesen, die auch ihr Ehemann, der
Senator, besucht hatte. Es schien mir zweifelhaft, dass sie
nichts von den Gründen erfahren hatte, aus denen Rob die
Schule verlassen musste.
Sie hatte ihr Testament geändert und dafür gesorgt, dass
die Entscheidung juristisch unanfechtbar war. Für mich
stand damit fest, dass sie nicht nur davon überzeugt war,
dass Rob einen Anschlag auf ihr eigenes Leben angezettelt
hatte, sondern auch, dass er für Andreas Tod verant
wortlich war.
Und das brachte mich
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