Denn vergeben wird dir nie
der
Zusammenhang wieder einfällt?«
»Ja, natürlich.«
Der Nächste auf meiner Liste war Marcus Longo. Ich hatte
gleich den Eindruck, dass er etwas gedämpft klang, und
ich hatte Recht.
»Ellie, was Sie gestern auf Ihrer Website publiziert
haben, wird eine massive Klage von Westerfield und
seinem Anwalt William Hamilton nach sich ziehen.«
»Gut. Sollen sie nur klagen. Ich kann es gar nicht
erwarten, gegen sie anzutreten.«
»Ellie, man hat nicht automatisch Erfolg vor Gericht, nur
weil man Recht hat. Die Rechtslage kann manchmal sehr
vertrackt sein. Die Zeichnung, die Ihrer Meinung nach ein
Beweisstück für die Beteiligung von Rob Westerfield an
dem Mordversuch an seiner Großmutter darstellt, wurde
Ihnen von dem Bruder des Mannes, der auf sie geschossen
hat, übergeben. Und er gibt zu, dass er der Fahrer des
Fluchtautos war. Damit taugt er wohl kaum zum
Kronzeugen. Wie viel haben Sie ihm für diese Information
gezahlt?«
»Tausend Dollar.«
»Ist Ihnen klar, wie das vor Gericht aussehen würde?
Wenn nicht, will ich es Ihnen gerne erklären. Sie haben
sich mit einem Schild vor Sing-Sing aufgestellt. Sie
veröffentlichen einen Aufruf auf der Website. Das
bedeutet so viel wie: ›Jeder, der von einem Verbrechen
weiß, das Rob Westerfield begangen haben könnte, hat die
Möglichkeit, ein bisschen Kohle zu machen.‹ Dieser Typ
könnte alles von vorne bis hinten frei erfunden haben.«
»Glauben Sie das?«
»Was ich glaube, spielt keine Rolle.«
»O doch, das tut es, Marcus. Glauben Sie, dass Rob
Westerfield dieses Verbrechen geplant hat?«
»Ja, aber das habe ich schon immer geglaubt. Das hat
nichts zu tun mit der Verleumdungsklage in Millionen
höhe, die Sie vielleicht erwartet.«
»Sollen sie klagen. Ich hoffe, sie werden es tun. Ich hab
ein paar tausend Dollar auf der Bank, ein Auto mit Sand
im Tank, das wahrscheinlich einen neuen Motor benötigt,
und ich werde vielleicht ein bisschen Geld mit meinem
Buch verdienen. Sollen sie ruhig versuchen, mir das
wegzunehmen.«
»Es ist Ihre Entscheidung, Ellie.«
»Noch etwas, Marcus. Ich ziehe heute hier aus und
werde in der Wohnung eines Freundes wohnen.«
»Hoffentlich nicht hier in der Nähe.«
»Nein, in Manhattan.«
»Das erleichtert mich sehr. Weiß Ihr Vater davon?«
Falls nicht, werden Sie es ihm sicherlich mitteilen,
dachte ich. Ich fragte mich, wie viele von meinen
Freunden in Oldham mit meinem Vater in Kontakt
standen. »Ich bin mir nicht sicher«, sagte ich aufrichtig.
Immerhin war es möglich, dass Pete ihn gestern Abend
sofort angerufen hatte, nachdem wir uns verabschiedet
hatten.
Ich wollte Marcus gerade fragen, ob bei seiner Suche
nach einem Mordopfer mit dem Namen Phil etwas
herausgekommen sei, aber er kam mir mit der Antwort
zuvor. »Bis jetzt Fehlanzeige, nichts, was Westerfield mit
einem anderen Verbrechen in Verbindung bringen
würde«, sagte er. »Aber es gibt noch eine ganze Menge
durchzuforsten. Wir haben die Suche jetzt auch auf den
Namen ausgedehnt, den Rob an der Schule verwendet
hat.«
»Jim Wilding?«
»Ja.«
Wir verabredeten, uns gegenseitig auf dem Laufenden zu
halten.
Ich hatte seit Sonntagnachmittag nicht mit Mrs. Stroebel
gesprochen. Ich rief das Krankenhaus an in der Hoffnung
zu erfahren, dass Paulie mittlerweile entlassen worden sei,
aber er war immer noch dort.
Mrs. Stroebel war bei ihm. »Es geht ihm viel besser,
Ellie. Ich bin immer um diese Zeit bei ihm, danach bin ich
im Laden und komme gegen Mittag zurück. Zum Glück ist
Greta da. Sie haben sie an dem Tag kennen gelernt, als
Paulie eingeliefert wurde. Sie ist so ein guter Mensch.
Ohne sie könnte ich den Laden dichtmachen.«
»Wann wird Paulie nach Hause gehen können?«
»Ich glaube morgen, aber Ellie, er möchte Sie noch
einmal sehen. Er versucht die ganze Zeit, sich an etwas zu
erinnern, was Sie zu ihm gesagt haben und das nicht
gestimmt hat. Er möchte das richtig stellen, aber er weiß
nicht mehr, um was es ging. Verstehen Sie – er hatte
damals so viele Medikamente bekommen.«
Ich war betroffen. Etwas, was ich gesagt hatte? Du lieber
Himmel, war Paulie wieder verwirrt, oder wollte er gar
etwas zurücknehmen, was er gesagt hatte? Ich war froh,
dass ich die Geschichte mit dem Anhänger und Rob noch
nicht auf die Website gesetzt hatte.
»Ich könnte vorbeikommen und ihn besuchen«, bot ich
an.
»Warum kommen Sie nicht so um ein Uhr? Dann werde
ich auch da sein, und ich glaube, dass er sich dann wohler
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