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Denn Wahrheit musst du suchen

Denn Wahrheit musst du suchen

Titel: Denn Wahrheit musst du suchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Daugherty
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schwächte er seine rechte Flanke, um den Feind dorthin zu locken. Er hoffte, dieser würde seine Stellungen aufgeben, sich mit der Hauptstreitmacht auf die vermeintlich schwache Flanke stürzen und so die Defensive vernachlässigen. Seine eigenen Truppen sollten zum geeigneten Zeitpunkt aus ihrem Versteck hervorbrechen und den Feind attackieren.«
    Der Geschichtslehrer malte eine Reihe dicker Pfeile an die Tafel. Als er sich wieder der Klasse zuwandte, wirkte er geradezu ausgelassen.
    »Die Koalition wurde völlig überrumpelt.«
    Während Zelazny die Schlacht in allen blutigen Einzelheiten beschrieb, fiel Allie plötzlich Nathaniels Brief ein, den irgendjemand mit einem Messer an die Mauer der Kapelle geheftet hatte. Und wenn das auch nur ein Trick wäre, so wie der von Napoleon? Um sie alle so verrückt zu machen, dass sie sich gegenseitig verdächtigten, und dann plötzlich zuzustoßen?
    Immer neue Pfeile malte Zelazny auf die Tafel. »Nachdem er die gegnerischen Verbände entscheidend geschwächt hatte, bereitete Napoleon sich darauf vor, ihnen den Gnadenstoß zu geben. An seine Generäle gerichtet, tat er folgenden berühmten Ausspruch.« Mit solcher Kraft, dass der Stift quietschend protestierte, schrieb Zelazny einen Satz an den Rand der Tafel. Dann trat er zurück und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen.
    Der Satz lautete: »Ein entschlossener Streich, und der Krieg ist gewonnen.«
    Allie starrte auf die erbarmungslosen Worte. Ein plötzliches Frösteln überkam sie.
    Sind damit etwa wir gemeint?
     
    Nach der Stunde traf Allie mit Carter und Sylvain im Flur zusammen. Es war Mittagessenszeit, die Schülerhorden strömten dem Speisesaal entgegen.
    »Was soll denn das jetzt schon wieder bedeuten?«, fragte Allie.
    Carter blickte Sylvain an, als wüsste der die Antwort. »Raj Patel?«
    Sylvain zuckte die Achseln. »Schätze, ja. Er fackelt nicht lange.«
    »Wenn Zelazny wieder hier ist, bedeutet das dann …« Allie hielt inne. Ihr dämmerte etwas.
    »Was?«, fragte Sylvain mit leicht gerunzelter Stirn.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nichts. Vergesst es. Ich muss kurz weg, hab noch was zu erledigen.«
    Sie machte auf dem Absatz kehrt und marschierte los.
    Carter rief ihr hinterher: »Kommst du nicht mit essen?«
    »Ich komm später nach!«
    Gegen den Strom der Schülerscharen rannte sie die Treppe hinauf und lief so schnell den langen Flur entlang, dass sie fast aus der Kurve geflogen wäre, als sie in den Englischraum einbog. Im nächsten Augenblick blieb sie wie angewurzelt stehen.
    »Hallo, Allie.«
    In der Tür stand Isabelle, und sie wirkte nicht gerade heiter.
    »Wo
warst
du?« Allie fiel die Kränkung in ihrer eigenen Stimme auf.
    Ein Teil von ihr hätte am liebsten losgeheult. Ein anderer – bedürftigerer – Teil wollte sich der Rektorin einfach nur in die Arme werfen. Doch Allie tat weder das eine noch das andere, sie stand einfach nur da.
    »Ich denke, du weißt ganz genau, wo ich gesteckt habe«, antwortete Isabelle und dehnte dabei jedes Wort. »Und wenn du nichts dagegen hast, würde ich jetzt gern hier die Fragen stellen.«
    »
Allerdings
habe ich etwas dagegen.« Allie reckte ihr stur das Kinn entgegen. »Wieso bist du einfach weggegangen und hast uns hier ganz allein zurückgelassen? Wie konntest du nur? Wir waren völlig auf uns allein gestellt. Und jetzt tauchst du mir nichts, dir nichts wieder auf und verlangst
Erklärungen
? Ja? War das ein Test, oder was!?«
    Falls Allies Wut Isabelle überrascht haben sollte, ließ diese sich nichts anmerken; ihr Löwenblick blieb fest und kalt. »Ihr seid in Mr Zelaznys Privaträume eingedrungen …«
    Allie ließ sie nicht ausreden. »Wo wir gefunden haben, was ihr gesucht habt, ja. Keine Ursache.« Kampfeslustig verschränkte sie die Arme vor der Brust. »Möchtest du dich sonst noch für was bei uns bedanken? Dass wir die Schüler davor gewarnt haben, dass ihre Eltern auf Nathaniels Seite stehen? Dass wir ihnen die Chance gegeben haben, selbst zu entscheiden? Dass wir selbstständig gehandelt haben? Uns was haben einfallen lassen?
Eure
Arbeit getan haben?«
    »Jetzt mach aber mal halblang!« Isabelles kraftvolle Stimme schallte durch den Raum. »Du hast deinen Standpunkt deutlich gemacht. Jetzt setz dich hin. Ich gebe in der Mittagspause einen Workshop, die Schüler werden gleich hier sein.«
    Allie zögerte. Nach allem, was vorgefallen war, hätte sie alles Recht der Welt gehabt, unter lautem Protest zur Tür hinauszustürmen, fand sie.

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