Denn wer zuletzt stirbt
Umlagern!«
»Und dann ...«
Eine Pranke fiel auf meine Schulter, Valenta.
»Felix, wie wäre es, du wäschst dich schon mal für die OP sicher willst du da doch auch mithelfen. Oder wirst du lieber gleich selbst operieren?«
Valenta hatte Tante Hilde sorgfältig untersucht und sich dann wieder in sein Dienstzimmer zurückgezogen. Seelenruhig surfte er weiter im Internet. Über »Onvista.de« informierte er sich über den Stand seiner Aktien, Anleihen und Optionen, im Chatroom von »Aktien.de« verfolgte er die aktuellen Gerüchte zu geplanten Fusionen oder bevorstehenden Gewinnwarnungen. Ich wußte, Valenta hatte seine Station im Griff, eine unterkühlte Patientin zur OP vorzubereiten bedeutete hier absolute Routine, bei seinen exzellent ausgebildeten Mitarbeitern war Tante Hilde in besten Händen. Trotzdem war ich nervös und hörte kaum auf seine neuesten Mitteilungen aus der Welt der Wirtschaft.
»Sieht nicht schlecht aus für deine ABS-Aktien, Felix. Es heißt, irgendeine holländische Firma will fünfunddreißig Prozent von ABS kaufen. Jedenfalls ist ABS um vierzehn Prozent gestiegen seit gestern!«
In der Tat betraf der rapide Wertverfall meines ohnehin bescheidenen Aktiendepots weniger die Werte, deren Kauf mir Valenta empfohlen hatte. Dazu gehörte auch ABS, Advanced Biotechnology Systems. Soweit ich wußte, stellte ABS AnalyseAutomaten für die Pharmaindustrie her. »Setz bloß nicht auf die bahnbrechende Pille gegen AIDS oder die Gentherapie, die den Krebs endgültig ausrottet. Wenn Gold gefunden wird, stecke dein Geld nicht in irgendwelche Claims. Kaufe lieber Schaufeln und Hacken – die verkaufst du dann den Goldsuchern. Viel geringeres Risiko!« Das war Valentas Devise für Börsengeschäfte, und deshalb war ich bei ABS eingestiegen.
Im Augenblick fehlte mir das Interesse an der Entwicklung auf dem Aktienmarkt. Ich glaube zwar, Valenta wollte mich nur beruhigen, vom Problem Tante Hilde ablenken, aber es gelang ihm nicht. Ich ließ ihn stehen und trottete rüber zur Chirurgie, wo ich mich erkundigte, wer operieren würde und, wichtiger noch, welcher Anästhesist im Dienst war. Der Chirurg baut ein künstliches Hüftgelenk ein, für ihn eine Routineoperation. Aber es ist der Anästhesist, der den Patienten dabei am Leben halten muß, egal, wie lange der Operateur für sein Handwerk braucht.
»Valenta wärmt sie gerade auf und stabilisiert sie für euch. Aber paßt auf. Sie hat ziemliche Probleme mit dem Blutdruck, und außerdem miese Herzkranzgefäße.«
»Schon mal einen Infarkt gehabt?«
»Nein, aber deshalb informiere ich euch.«
»Und wie alt ist deine Tante?«
»Zweiundachtzig, glaube ich, oder etwas mehr.«
Bernd von der Anästhesie legte mir die Hand auf die Schulter.
»Ich weiß nicht, wie es bei dir auf der Geriatrie aussieht, Felix. Aber wir haben noch nie einer Zweiundachtzigjährigen ein neues Hüftgelenk eingeschraubt, bei der nicht auch Probleme mit dem Blutdruck, miesen Herzkranzgefäßen, einem entgleisten Zucker oder Schlimmeres zu beachten waren. Ich garantiere dir, du bekommst deine Tante von uns so gut wie neu zurück. Allerdings nur, wenn du uns nicht weiter störst.«
Natürlich hatten meine Kollegen recht. Ich rief mich zur Ordnung und beschloß, sie endlich in Ruhe ihre Arbeit machen zu lassen.
»Felix, wenn du wieder nach deiner Tante schaust, erinnere doch bitte Valenta daran, mich anzurufen. Er wollte mir sagen, ob ich Infineon nun verkaufen soll oder nicht.«
»Mach ich.«
Valenta war inzwischen als Aktienberater in der Klinik mindestens ebenso unentbehrlich wie als leitender Intensivarzt. Zurück auf der Intensivstation fand ich Hilde an ihrem vorgewärmten Tropf, der Monitor über ihrem Bett registrierte Blutdruck und Puls in einem akzeptablen Bereich. Mit Mühe widerstand ich der Versuchung, mir die inzwischen eingetroffenen Laborergebnisse anzuschauen. Immerhin zeigte Hilde schon eine bessere Farbe und wieder etwas Glanz in den Augen. Ich nahm ihre Hand und wünschte ihr alles Gute für die Operation.
»Was für eine Operation? Was redest du für ein dummes Zeug?«
»Du hast dir den Oberschenkel gebrochen, Tante Hilde. Das muß unbedingt operiert werden.«
»Wie kommst du denn auf so was, Gustav? Ich habe mir nichts gebrochen, ich will nach Hause.«
»Das wird noch ein paar Tage dauern. Erst muß dein Bein wieder in Ordnung kommen.«
Mit sanftem Druck schoben mich zwei Schwestern zur Seite und rollten das Bett mit meiner protestierenden Tante an Bord
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