Denn wer zuletzt stirbt
Verärgerung und vertrieben sich die Zeit mit den Kriminalromanen, die ich Tante Hilde in den letzten Wochen mitgebracht hatte. Zwischendurch unterhielten sie sich über ihre Aktien, ich spitzte die Ohren. Auch zu ihnen hatten sich die Gerüchte über den Kauf von Advanced Biotechnology Systems durch die Holländer herumgesprochen. Irgendwann holte einer der beiden uns etwas zu essen. Ich gab ihm Trixi mit für eine Runde durch den Park und kochte Kaffee.
»Der Hund geht nicht so gerne spazieren, was? Ich meine, es ist doch ein Hund, oder?«
Jedenfalls würde er dieses Wesen nicht noch einmal irgendwohin mitnehmen, meinte ein sichtlich genervter Polizist, als er mit Fastfood und Kuchen für uns zurückgekommen war und wir gemeinsam in Hildes Küche das Mitgebrachte vertilgten.
»Na, klar ist Trixi ein Hund. Passen Sie auf!«
Ich bot Trixi einen Rest Bulette in der rechten und ein Stück Kuchen in der linken Hand an, Trixi wählte sofort den Kuchen. Als die Kriminalpolizei eintraf, wurden nicht etwa die Zimmer durchsucht, Spuren gesichert oder Fingerabdrücke genommen. Es verhält sich wohl so, daß nur die Kriminalpolizei eine Leiche beschlagnahmen darf, nicht meine beiden einfachen Polizisten. Die Leute von der Kripo schauten sich meine Tante Hilde allerdings etwas gründlicher an als mein Herr Kollege und kamen immerhin auf die Idee, sie wenigstens umzudrehen. Es steckte tatsächlich kein Messer im Rücken.
Auch die Kriminalbeamten hatten mir ihr Beileid ausgesprochen, ich mit meinem Sprüchlein, war alt und wollte sterben, geantwortet. Konversation beendet. Keine Frage, warum ich eigentlich heute morgen nach Tante Hilde geschaut hätte (»das mache ich jeden Morgen, bevor der Pflegedienst kommt«), dementsprechend auch keine Nachfrage dazu bei den Nachbarn (»den Neffen? Den sehen wir hier nur ganz selten, und morgens nie«). Nichts dergleichen. Irgendein blöder Arzt hatte bei einer über 80jährigen Frau »Todesursache ungeklärt« angekreuzt, das war alles. Entsprechend den Vorschriften wurde Tante Hildes Leiche hochoffiziell beschlagnahmt.
Neben einer gerichtsmedizinischen Obduktion hatte ich mir von der Beschlagnahme auch die einfache Lösung der Frage, wohin mit der Leiche von Tante Hilde, versprochen. Man kennt das doch aus dem Fernsehen: Der Inspektor kommt, die Leute von der Spurensicherung kommen, der Arzt kommt – und dann nickt der Inspektor oder der Arzt, und es treten diese Leute im grauen Kittel auf, die Leiche verschwindet in einer Zinkwanne, Deckel zu, Abmarsch.
Weit gefehlt. Die Kripo drückte mir einen Vordruck in die Hand, »für den Bestatter«, und zog ab. Ich mußte mir ein Bestattungsinstitut aus dem Telefonbuch suchen und noch einmal zwei Stunden warten. Ein letztes herzliches Beileid für heute, dann waren endlich Hilde, der Sarg und der Vordruck über die Beschlagnahme der Leiche verschwunden.
Inzwischen war es halb acht Uhr abends. Die beiden Polizisten verkündeten, ihr Dienst sei jetzt vorbei. Meiner auch. Ich befreite die jaulende Trixi aus der Küche, legte ihr das Halsband um und schleifte sie ungeachtet ihrer massiven Gegenwehr zu meinem Auto.
Natürlich wollte Celine noch am selben Abend genau wissen, was ich der Kriminalpolizei gesagt hatte und was die Kriminalpolizei sonst so unternommen hätte. Gar nichts, war die eine, und: nicht viel, meine zweite Antwort. Danach hatten wir den besten Sex seit langem. Wahrscheinlich war es so etwas wie früher der Leichenschmaus, eine gegenseitige Bestätigung, daß wenigstens wir noch am Leben waren.
8
Nach dem Tod von Tante Hilde und dessen Ankündigung durch Makler Marske mußten wir unsere Theorie erweitern. Neben der Verbindung zwischen Krankenhaus und Makler bestand offensichtlich auch eine Verbindung zwischen der Hauspflege und dem Makler. Sollten wir nicht endlich die Polizei informieren?
»Viel Vergnügen, Felix«, meinte Celine. »Unser Maklerfreund wird behaupten, natürlich sei der Tod voraussehbar gewesen, oder er argumentiert mit Vorsehung, Schicksal, Karma. Wir haben keine Beweise für eine aktive Tötung, richtig? Also müßten wir mit Töten per Woodoo oder so was kommen. Die Polizei wäre begeistert!«
Aber als überzeugte Vertreterin des positiven Denkens rückte Celine auch gleich mit einem Alternativvorschlag heraus: ein Einbruch bei unserem Maklerfreund oder im Büro der Hauspflege, am besten bei beiden. Ich hatte unseren letzten Einbruch, damals wenigstens in der eigenen Klinik, noch in lebhafter
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