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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Einbildung oder nicht, sie schien mit ihrem Tod auf diesen Abschied, so kurz er auch war, gewartet zu haben.
    Ich rief bei der Polizei an. Sicher sind wir Mediziner selbst nicht ganz schuldlos an dem weitverbreiteten Volksglauben, ein Arzt wisse auf jede Frage zwischen Geburt und Tod eine Antwort. Ich wenigstens wußte im Augenblick nicht, was nun zu tun war.
    »Auf jeden Fall brauchen Sie einen Arzt, der den Tod bestätigt«, erklärte mir eine beruhigende Stimme am anderen Ende der Leitung, offensichtlich ein erfolgreicher Teilnehmer des polizeiinternen Deeskalationstrainings, obgleich ich mich nicht besonders aufgeregt fühlte.
    »Ich bin selber Arzt.«
    »Und wo ist dann das Problem, Herr Doktor?«
    Die beruhigende Stimme klang einen Hauch ungehalten, der Erfolg des Deeskalationstrainings schien schon jetzt auf die Probe gestellt.
    »Ich bin mit der Toten verwandt. Sie war meine Tante.«
    »Ihre Tante. Verstehe. Also eine Verwandte dritten Grades. Moment bitte.«
    Die Sprechmuschel wurde zugehalten, ich konnte die polizeirevierinterne Konferenz zum Problem »tote Tante dritten Grades« nicht verfolgen.
    Eine andere Stimme meldete sich.
    »Ist außer Ihnen sonst noch jemand vor Ort?«
    Richtig. Wo war eigentlich Trixi?
    »Nein. Nur ich und der Hund der Toten.«
    »Ich verstehe. Moment bitte.«
    Nach ein paar Minuten hatte man sich geeinigt.
    »Bitte bleiben Sie, wo Sie sind. Wir schicken gleich zwei Kollegen vorbei.«
    Ich fand Trixi schließlich unter der Bettdecke, eingerollt zwischen den Beinen meiner toten Tante. Vom Tod des Frauchens schien sie noch nichts mitbekommen zu haben, wahrscheinlich begann auch Trixis Tag erst gegen Mittag mit dem Erscheinen der Hauspflege.
    Gegen seinen starken Protest zerrte ich den Hund aus dem Bett und sperrte ihn in die Küche. Dann rief ich bei der Hauspflege an, die in gut einer Stunde fällig gewesen wäre, und bestellte sie ab. Nach, meiner Erfahrung als Doktor auf dem Notarztwagen würden schon bald genug Leute hier herumtanzen.
    Es war etwa halb zehn Uhr am Vormittag, als die beiden angekündigten Polizisten an der Wohnungstür klingelten – und erst zehn Stunden später sollten sie wieder abrücken. Und zwar ohne das ich Makler Marske oder Celines Anruf erwähnt hätte, für sie war es ein Routinetodesfall!
    Geschult und erfahren, versicherten mir die Beamten erst einmal mit ernster Miene ihr Beileid. Ich beruhigte sie mit dem Hinweis auf das Alter meiner Tante und die Tatsache, daß sie schon seit Monaten sterben wollte. Dann setzte sich der Amtsschimmel in Trab. Sagen wir lieber, er setzte sich in Gang.
    Die Polizisten überzeugten sich, daß Hilde wirklich tot war. Das Problem bestand weiterhin in dem Leichenschauschein.
    »Hatte Ihre Frau Tante einen Hausarzt?«
    »Keinen außer mir, soweit ich weiß. Ich habe ihr die Medikamente besorgt, die sie brauchte.«
    »Dann müssen wir auf den Polizeiarzt warten.«
    Der Polizeiarzt tauchte so gegen zwei Uhr nachmittags auf. Wie sich herausstellte, war es kein Polizeiarzt, sondern ein älterer niedergelassener Kollege, der mit dieser Nebentätigkeit in der Mittagspause den miesen Punktwert seiner Kassenpatienten auszugleichen suchte. Vom Vorgehen bei einer ordentlichen Leichenschau schien er noch nie etwas gehört zu haben, und wenn, fehlte ihm die Lust, das Gehörte anzuwenden. Zu zeitaufwendig.
    Aber ich hatte noch ein Anliegen. Dieser Doktor schien mir nicht der Aufmerksamste, also trug ich etwas dicker auf.
    »Ich habe heute auch noch was zu tun, Herr Kollege. Und hatte inzwischen genug Zeit, mich selbst zu überzeugen. Natürlicher Tod, finales Kreislaufversagen. Das sieht man doch. Oder haben Sie ein Messer im Rücken gefunden? Machen Sie uns bitte den Leichenschauschein fertig, damit es hier endlich weitergeht.«
    Ich hatte ihn richtig eingeschätzt, er gehörte zu jener Sorte Ärzte, die sich von niemandem in ihre geheimnisvolle Tätigkeit hineinreden lassen, schon gar nicht von einem jüngeren Kollegen. Er gönnte mir einen bösen Blick, kreuzte auf dem Leichenschauschein ohne Kommentar »Todesursache ungeklärt« an und machte sich auf den Weg. Ein beleidigter Kollege, aber ich hatte mein Ziel erreicht: Jetzt würde Tante Hilde gerichtsmedizinisch untersucht werden, ohne daß ich von Makler Marske erzählen mußte.
    »Todesursache ungeklärt« bedeutete jedoch auch, daß wir die nächsten drei Stunden auf die Kriminalpolizei warteten. Die beiden Polizisten zeigten entgegen meiner Erwartung keine Zeichen der

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