Denn wer zuletzt stirbt
Händlern als Aufbauhilfe Ost an unsere neuen Landsleute verscherbelt worden und inzwischen längst in der Schrottpresse. Aber auch darüber hinaus hatten sich die Gegebenheiten des Gebrauchtwagenmarkts radikal geändert, inzwischen waren die Verkäufer zum größten Teil Türken und die Käufer aus Rußland oder Polen.
Trotzdem war ich am Ende meiner Markterhebung stolzer Eigner eines sechs Jahre alten Fahrzeugs aus Korea mit neuem TÜV, Fahrerairbag und fast halbvollem Tank. Gemessen an der Zeit vor meinem Ausflug in die Maisfelder der märkischen Schweiz hatte ich mich automäßig deutlich verbessert.
Und immerhin transportierte mich das eben erstandene Fahrzeug ohne Komplikationen quer durch die Stadt zur Firma ABS. Mich und Trixi. Trixi mochte nicht ganz der allgemeinen Vorstellung von einem Kampfhund entsprechen, könnte aber zum Beispiel laut kläffend zur nächsten Polizeiwache stürmen, sollte mich Frau Simons in ihrer Firma mit Säure übergießen, einzementieren oder beides zugleich.
Frau Simons residierte in Buch, einem Ortsteil weit im Nordosten, an der Peripherie des ehemaligen Ostberlin. Noch längst nicht ist in Berlin »zusammengewachsen, was zusammengehört«, eine Fahrt nach Buch bedeutete, erst recht an einem dunklen Abend, eine lange Reise durch dem Westmenschen unbekanntes Land.
Advanced Biotechnology Systems arbeitete in einem sanierten Gebäude gemeinsam mit anderen universitären Ausgründungen, nach den Firmenschildern ging es vorwiegend um die Goldgrube Gentechnologie. Mit einer Menge Subventionen aus Steuergeldern versuchten hier Leute Geld aus Forschungsergebnissen zu machen, zu denen sie mit Hilfe von Steuergeldern gekommen waren.
Diesmal war ich schlauer als bei der Suche nach dem Städtischen Tierheim und hatte einen Stadtplan mitgenommen. Nur so fand ich schließlich auch das Gebäude, in dem die Firma ABS Analyseautomaten herstellte und den Wert meiner Aktien mehren sollte. Ich drückte einen Knopf, von dem ich annahm, daß es sich um die Klingel handelte.
»Zweiter Stock. Den Hund können Sie hier nicht mit reinbringen«, schnarrte es aus einem Lautsprecher, den ich ebensowenig wie die Überwachungskamera bemerkt hatte.
Ich brachte Trixi zurück in den Wagen. Offensichtlich beleidigt, wandte sie sich von mir ab und rollte sich auf dem Fahrersitz meiner koreanischen Neuerwerbung zusammen.
»Du alarmierst die Bullen, wenn ich in einer halben Stunde nicht zurück bin. Und zerkratze inzwischen nicht das Polster!«
Ohne erneutes Klingeln erklang ein Summen, und ich öffnete die Tür, die gleich hinter mir ins Schloß fiel und mit einem deutlichen Klicken absperrte. Interessehalber versuchte ich, sie wieder zu öffnen, vergeblich. Die Gänge waren nur schwach beleuchtet, die Treppe in den zweiten Stock aber nicht schwer zu finden. Hinter Glastüren fuhren kleine Tabletts mit Proben von einer Untersuchungskammer in die andere, fleißige Greifarme sorgten für Nachschub. Kein Mensch war zu sehen. Nur aus einem Zimmer am Ende des Ganges kam helles Licht.
»Kommen Sie. Letztes Zimmer links.«
Großnichte Simone saß in einem Büro, fast unsichtbar zwischen Stapeln von Papieren. Überall standen Umzugskartons, zum Teil leer, zum Teil gefüllt mit Aktenordnern. Frau Simons war an diesem Sonntagabend eindeutig eine vielbeschäftigte Frau. Unaufgefordert setzte ich mich ihr gegenüber und lehnte meine Krücke demonstrativ an ihren Schreibtisch.
»Willkommen bei Advanced Biotechnology Systems. Bei uns können Sie einen Blick in die Zukunft werfen.«
»Ich bin beeindruckt. Das sind Analyseautomaten, die da draußen laufen, richtig?«
»So ist es. Unsere neueste Generation. Die bestimmen Ihnen bis zu fünfhundert verschiedene Enzyme und deren Konzentration aus nur einem Tropfen Blut.«
Ich wagte nicht, mir die Anzahl unsinniger Folgeuntersuchungen auszumalen, die sich aus der Bestimmung von fünfhundert Enzymen bei einem meiner Patienten ergeben würden.
»Ich dachte, Sie produzieren diese Automaten?«
»Stimmt. Aber die eigentliche Herstellung läuft ein paar Kilometer weiter, in Brandenburg, wegen der Subventionen. Zu einem geringen Teil auch in Polen. Was Sie durch die Glastüren gesehen haben, sind Teststrecken. Hier prüfen wir die laufende Produktion und entwickeln die Geräte weiter. Spätestens in zwei Jahren werden wir Marktführer sein.«
»Wenn das so ist, sind doch hohe Gewinne zu erwarten.
Dann verstehe ich nicht, weshalb Sie noch innerhalb der Sperrfrist Ihre
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