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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Ihnen zur Vorsicht, damit Sie sich nicht dem Vorwurf der Verleumdung aussetzen. Oder aber wir sehen uns wieder, wenn Sie das, dessen Sie mich bezichtigen, irgendwie beweisen können.«
    Sie stand jetzt in der Tür zum Korridor.
    »Einen interessanten Abend wünsche ich noch!«
    Ich hatte versagt. Vielleicht kann ich ganz gut den Krankheitsverlauf und die Symptomatik aus einem Patienten herauskitzeln, aber meine Verhörtechnik in nichtmedizinischen Fällen schien mir stark verbesserungsbedürftig. Mit keinem Wort hatte sich die Großnichte verraten, ich hingegen hatte, ähnlich wie bei Margitta, mein gesamtes Wissen preisgegeben und damit klar gemacht, daß ich über keine wirklichen Beweise verfügte. Ein wenig tröstete mich bei meinem Abgang durch die abgedunkelten Korridore der Gedanke, daß ich bei dieser Konstellation wenigstens den Ausgang ohne ernsthaften Unfall erreichen sollte.
    Soweit erwies sich diese Annahme als richtig, aber die Ausgangstür ließ sich nicht öffnen. Nach einigen Versuchen schnarrte Simones Stimme aus einem mir unsichtbaren Lautsprecher.
    »Das ist ein Zeitschloß, geht erst morgen früh wieder zu öffnen. Folgen Sie den Schildern zum Notausgang.«
    Es ging nach unten, ab in den Keller. Brav folgte ich dem Strichmännchen, das weiß auf grünem Grund Reißaus vor irgendeiner Gefahr nahm – Weichei! Was sollte hier schon passieren? In den langen-Kellergängen offene und geschlossene Holzkisten bis zu Sarggröße, Rohre, Leitungen, Kabel – dieser Bereich war eindeutig nicht für Besucher vorgesehen.
    Der Berliner Vorort Buch hatte zu DDR-Zeiten als Synonym für eine unüberschaubare, zum großen Teil der Nomenklatura vorbehaltene Ansammlung von Spezialkliniken gestanden, ich befand mich offensichtlich in dem unterirdischen Verbindungssystem dieser teils sanierten, teils aufgegebenen Gebäude. Links von mir hörte ich ein Quieken, ich stellte mir Schweine vor mit Elektroden im Kopf oder einem neuen Kunstherz in der Brust. Vielleicht auch mit Milzbrand, Pest oder AIDS. Weiter rechts wurde in altdeutschen Lettern der Weg zum Luftschutzraum, Kapazität vierundsiebzig Personen, gewiesen.
    Unvermittelt stieß ich gegen eine Tür mit der Aufschrift »radioaktive Strahlung«, genau da verlosch das Licht. Ich bekenne eine gewisse Panik. Hatte mich Frau Simons doch nicht als ungefährlich eingeschätzt? Lange schon Nichtraucher, hatte ich weder Streichhölzer noch ein Feuerzeug dabei, unglücklicherweise auch kein Nachtsichtgerät, keinen Powerlaser in meiner Krücke und nicht einmal ein Handy. Behutsam tastete ich mich an der Wand zurück, entdeckte endlich eine unverschlossene Tür. Ich öffnete vorsichtig, augenblicklich hob ein wütendes Geheul an und irgend etwas sprang aus der Dunkelheit auf mich zu. Es gab ein böses Knacken, sofort ließ ich meine Krücke los und schaffte gerade noch, bevor die Bestie ihren Irrtum erkannte, die Tür zuzuschlagen.
    Wollte ich nicht von tollwutinfizierten Hunden zerfleischt oder von Radioaktivität verstrahlt werden, war das Öffnen von Türen erkennbar keine gute Option. Ohnehin meiner Krücke verlustig, robbte ich auf allen vieren die Bodenkante entlang, erkannte jedoch an der nächsten Kreuzung, daß ich die Orientierung endgültig verloren hatte. Von wo war ich gekommen? Wo war die Treppe nach oben? Oder erwartete mich dort Frau Simons mit einer infizierten Kanüle? Plötzlich ging das Licht wieder an. An die Wand gestützt, humpelte ich weg von dem aggressiven Gebell und fand endlich einen meiner Strichmännchen-Freunde, deren ängstliche Eile ich jetzt verstand.
    Zu guter Letzt schlug mir hinter einer maroden Holztür endlich die kühle Nachtluft Nordberlins um die Ohren, etwa vier Querstraßen von meinem neuen Auto entfernt. Zweimal bog ich in die falsche Richtung ab, wahrscheinlich, weil mir ohne Krücke Linkskurven leichter fielen als Rechtskurven. Schließlich aber fand ich einen ordentlichen Ast als Ersatz und stand kurz danach vor dem Eingang von ABS, Gott sei Dank von außen. Trixi war zwar offensichtlich nicht in Sorge um mein Wohlergehen verendet, hatte aber auch nicht die Polsterung auseinandergenommen oder bepinkelt.
    Eine letzte Chance gönnte ich der Sache noch, fuhr einmal um den Block und parkte dann außerhalb des ohnehin spärlichen Lichtes der Laternen etwa hundert Meter vom Eingang entfernt. Nach einer halben Stunde Warten wußte ich, wie sich eine Schweinehälfte im Kühlhaus fühlt, ohne daß Frau Simons aufgetaucht oder sonst

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