Denn wer zuletzt stirbt
etwas geschehen wäre.
Zurück im heimatlichen Zehlendorf klingelte ich gegenüber bei Celine, aber die war wohl noch in Sachen Kurdenhilfe unterwegs. Natürlich bin ich überzeugter Multikulti, jedenfalls so lange, wie es nicht um Celine und eventuell zu enge Kontakte zu meinen arabischen Geschlechtsgenossen geht. Frustriert zerrte ich Trixi auf eine Pinkelrunde durch die Nachbarschaft, bei Celine jedoch blieb es weiterhin dunkel.
Großnichte Simone meldete sich schon am nächsten Tag, telefonisch. Ich war gerade auf dem Weg zum Mittagessen. Sie habe nachgedacht, es würde doch nichts bringen, uns gegenseitig das Leben schwerzumachen. Was ich davon hielte, wenn sich die Klinik und sie das Erbe ihres Großonkels teilen würden? Da bliebe für jeden genug, und sie könnte darauf verzichten, uns wegen des Behandlungsfehlers beziehungsweise verletzter Sorgfaltspflicht zu belangen. Was ich dazu sagte?
»Natürlich werde ich Ihren Großonkel dazu fragen. Und zu Recht spekulieren Sie darauf, daß ich ihm weiterhin nichts von Ihrem Anschlag auf sein Leben erzählen werde ...«
»Ein Anschlag, den es nur in Ihrer blühenden Phantasie gibt und für den Sie keine Beweise haben!«
»... ein Anschlag, von dem zu wissen ihm sicher die letzte Lebenskraft rauben würde. Nur glaube ich trotzdem nicht, daß Ihr Großonkel Ihrem Vorschlag zustimmen wird.«
»Für Sie und Ihre Klinik wäre es aber gut, er täte es. Geben Sie sich Mühe, Herr Dr. Hoffmann.«
Manchmal finde ich mich selbst ganz schön dreist, aber von dieser Frau konnte ich noch eine Menge lernen. Hatte ich mein Geld letztendlich doch in der richtigen Firma angelegt?
Nein, denn die Finanzlage von ABS blieb prekär: Wie erwartet, lehnte Simone Simons‘ Großonkel den Vorschlag ab.
»Kommt überhaupt nicht in Frage. Ich könnte Ihnen Dinge über diese Frau erzählen ...«
Ich auch, dachte ich. Offensichtlich hatten wir beide ähnliche Erfahrungen mit Frau Simons gemacht. Oder ahnte Herr Winter am Ende, wem er die Neujahrstage auf der Intensivstation verdankte?
Mir fiel ein, daß ich bei Herrn Winter einen Röntgen-Thorax angefordert hatte. Offensichtlich war die Anforderung aus der Geriatrie wieder einmal den dringenden Erfordernissen der Akutabteilungen zum Opfer gefallen.
»Morgen früh, gleich als erstes«, wurde mir immerhin vom Röntgen versprochen.
Als ich an diesem Abend zu Hause einparkte, sah ich Licht bei Celine. Ich beschloß, daß es an der Zeit wäre, die unausgesprochene Mißstimmung zwischen uns zu beenden. Ich würde ihr sagen, daß ich ihr Engagement für die Verfolgten aller Länder dieser Welt bewunderte, was auch stimmte. Daneben wollte ich ihr mein neues Auto vorführen und über den Besuch bei Großnichte Simone berichten. Außerdem verlangten meine Hormone nach ihrem Recht.
In ihrem Hausflur schlug mir ein Duft entgegen, der mich sofort an einen gemeinsamen Marokko-Urlaub erinnerte, ein Duft von Safran, Minze und Orient, der um so stärker wurde, je höher ich die Treppe zu Celines Wohnung kam. Bemerkenswert. Celines Kochkünste reichen nicht über das hinaus, was man gemeinhin Männern zugesteht, Spiegeleier oder Wiener Würstchen; ihre Ernährung beschränkt sich weitgehend auf Industrieprodukte aus der Mikrowelle. Hatte sie eine Quelle für arabische Fertiggerichte aufgetan?
Celine öffnete, jedoch erst, nachdem sie durch den Spion gesehen hatte. Sie trug einen langen Pullover über nackten Beinen mit Söckchen.
»Hallo, komm rein. Ich wollte dich sowieso anrufen.«
Ich trat ein, in der Wohnung roch es wie an dem Abend mit Celine auf dem alten Karawansereiplatz in Marrakesch. Aus ihrer Stereoanlage tönte die passende orientalische Musik. Aber ganz im Gegensatz zu sonst war die Wohnung total aufgeräumt und offensichtlich penibel geputzt. Selbst ihre Marionetten, die den größten Teil von Celines Heimstatt für sich beanspruchen, schienen auf Vordermann ausgerichtet.
»Celine, hast du Koriander im Haus?«
In der Tür zur Küche stand ein Araber, ein Bild von einem Mann. Und mit Mitte bis Ende Zwanzig deutlich jünger als ich. Celine zog mich zu ihm hin.
»Ich möchte dir Sedat vorstellen. Sedat wohnt jetzt hier, wenigstens vorübergehend.«
Freundlich lächelnd wischte sich Sedat die Hände an einer Küchenschürze ab, noch nie hatte ich bei Celine eine Küchenschürze gesehen, und kam auf mich zu.
»Guten Abend. Mein Name ist Sedat. Sie müssen Felix sein. Ich bin erfreut, Sie kennenlernen zu dürfen.« Er sprach ein
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