Denn wer zuletzt stirbt
etwas gestelztes, aber fehlerfreies Deutsch.
»Darf ich Sie einladen, mit uns am Essen teilzunehmen?«
Na, schön, ich hatte Hunger, und es roch verheißungsvoll. Beim Essen erzählte Celine, daß Sedats Einspruch gegen die Ablehnung seines Asylantrages wohl endgültig abgeschmettert sei.
»Wir haben noch eine Sache direkt beim Senat laufen, über die Ausländerbeauftragte. Aber es besteht trotzdem jederzeit die Gefahr, daß Sedat in Abschiebehaft genommen wird.«
Fröhlich fischte sie mit den Fingern ein Stück Hammel aus der großen Steingutterrine, die wir vor ein paar Jahren aus Portugal mitgebracht hatten.
»Und – wie war dein Besuch bei der Großnichte?«
Hätte sie mich nicht erst einmal fragen können, wie ich dort überhaupt ohne ihr Auto hingekommen war? Oder zum Beispiel, ob mein Bein noch Schmerzen verursacht? Aber ich wollte keinen Streit, schon gar nicht vor ihrem Gast, und überhaupt war ich eigentlich gekommen, um mich mit Celine zu vertragen. Also goß ich mir noch einen Wein ein und berichtete von meinem Besuch bei Frau Simons und von ihrem Anruf heute mittag. Celine und Sedat tranken Tee aus frischen Pfefferminzblättern.
»Bewundernswert«, kommentierte Celine.
»Bewundernswert?«
»Diese Frau zieht ihr Ding durch, ohne Kompromisse. Finde ich beachtlich.«
»Aber Sie geht dabei über Leichen.«
»Sage ich doch, sehr konsequent. Ich behaupte ja nicht, daß ich ihre spezielle Konsequenz gutheiße.«
»Da bin ich aber beruhigt.«
Celine war längst dabei, meinen Bericht zu analysieren, und fragte, ob ich wirklich sicher sei.
»Sicher bin ich sicher. Ihr Großonkel hat um Weihnachten herum in einem Telefonat mit ihr etwas von der geplanten Testamentsänderung erwähnt, als sie schon fest mit dem Geld gerechnet hatte, weil sonst ihre Firma den Bach hinuntergeht. Also findet sie einen eleganten Weg, das neue Testament zu verhindern. Motiv und Gelegenheit. Ihr Pech nur, daß wir Winter wiederbelebt haben und Käthe sie gesehen hat.«
Celine arbeitete wieder einmal am Ohrläppchen. Sie saß inzwischen auf dem Boden. Der Pullover war hochgerutscht, und ich konnte sehen, daß sie nur ihren Slip trug. Bestimmt war auch Hausfreund Sedat nicht blind.
»Das wird so gewesen sein, ihr Anruf bei dir heute spricht dafür. Das klärt nun auch die Sache mit Winter und der Infusion. Gratulation, Felix, keine losen Enden mehr. Was wirst du jetzt tun?«
Genau das war das Problem. Was würde ich mit Simone machen? Und was mit Käthe? Unverändert wichtig blieb mir, die Klinik aus der Sache herauszuhalten. Auf jeden Fall also würde es, was mich betraf, weder über Simone noch über Käthe ein vertrautes Gespräch mit Hauptkommissar Czarnowske geben.
»Ich weiß es noch nicht«, beantwortete ich ihre Frage.
Sedat hatte sich zurückgezogen, aus der Küche war das Klappern von Geschirr im Abwasch zu hören. Für heute mußte ich mich erst einmal damit abfinden, daß sich mein Hormonstau nicht lösen würde, und außerdem hatte ich zuviel Wein getrunken. Celine brachte mich an die Tür.
»Wie lange wird er bleiben?« fragte ich.
»Keine Ahnung. So lange, wie es nötig ist. Ich hoffe, daß wir unsere Petition beim Senat durchbekommen, wenigstens eine vorübergehende Duldung erreichen.«
Ich war begeistert.
»Und woher bist du sicher, daß dieser Sedat kein PKK-Aktivist ist? Kein Terrorist?«
»Richtig. Die Handgranaten haben wir unter meinem Bett versteckt, die Maschinenpistolen in der Speisekammer. Heute nacht ziehen wir los und jagen die türkische Botschaft in die Luft.«
Das Problem mit Celine ist, daß ihr, die richtigen Freunde vorausgesetzt, so etwas durchaus zuzutrauen ist.
»Mach dir keine Sorgen, Felix. Sedat ist Lehrer, genau wie ich. Er hat sich nur geweigert, in seinem kurdischen Dorf ausschließlich auf türkisch zu unterrichten und die Eltern seiner Schüler auszuspionieren. Wenn er in die Türkei abgeschoben wird, landet er sofort im Gefängnis, und das ist noch die gute Nachricht. Hast du eine Vorstellung, was die Türken mit einem Kurden im Gefängnis anstellen?«
Na, klar, schließlich lese ich auch Zeitung, und ich war im Grunde vollkommen einverstanden mit Celines Engagement in dieser Sache, rational jedenfalls.
Dann viel Erfolg mit eurer Petition, wollte ich eigentlich sagen oder einfach nur gute Nacht wünschen, aber plötzlich hörte ich mich fragen.
»Wo schläft der eigentlich?«
Celine musterte mich von oben bis unten, wie ich manchmal meine Patienten anschaue, wenn
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