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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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hatte ihm bei der Visite gesagt, daß ich mittags seine Röntgenbilder sehen würde.
    »Und, Doktor? Wie geht es meiner Lunge?«
    »Sie haben einen Erguß im Rippenfell, wie nach dem Abklopfen schon klar war, da können wir Ihnen helfen. Ich werde diesen Erguß abpunktieren. Dann hat ihre Lunge wieder mehr Platz, und sie bekommen besser Luft. Ist keine großartige Prozedur, und außer dem Piks von der örtlichen Betäubung werden Sie keine Schmerzen dabei haben.«
    Winter schaute mich an. Einen Moment schien er glauben zu wollen, daß der Erguß das ganze Problem sei. Der kompetente Dr. Hoffmann würde den Erguß herausholen, und alles wäre wieder gut. Doch der Selbstbetrug dauerte nur wenige Augenblicke.
    »Ist das alles? Ich meine, woher kommt er, dieser Erguß?«
    »Das ist das Problem. Der Krebs hat die Lunge erreicht und offensichtlich auch das Rippenfell.«
    Winter beklagte sich nicht über die Ungerechtigkeit der Welt oder falsche Behandlung durch mich. Über dieses Stadium war er hinaus, er hatte seine Erkrankung und ihre Konsequenzen akzeptiert. Natürlich fragte er trotzdem, wie es nun weitergehen würde. Ich zählte ihm die wenigen Alternativen auf, er hörte mir aufmerksam zu.
    »Was würden Sie mir raten, Dr. Hoffmann?«
    Die Frage hatte ich befürchtet. Und ebenso meine ausweichende Antwort.
    »Also, die Sache ist nicht hoffnungslos. Man sieht tatsächlich unter zum Beispiel Prednimustin plus Cyclophosphamid häufig, wie die Lungenmetastasen verschwinden, oder sich zumindest zurückbilden. Aber es wäre eine erneute Chemotherapie mit all ihren Konsequenzen für Ihren ohnehin geschwächten Körper.«
    »Und dann?«
    »Dann wären Sie nicht gesund. Aber wir hätten vielleicht Zeit gewonnen.«
    Winter lächelte.
    »Zeit, bis eine neue Wundertherapie entdeckt wird?« Ich schüttelte den Kopf.
    »Nein. Aber Zeit, um eventuell noch dies und jenes zu regeln.«
    »Ich entschuldige mich für meine Frage, Dr. Hoffmann, Sie haben mir die Alternativen klar geschildert. Im Grunde habe ich Sie gefragt, was Sie an meiner Stelle tun würden. Aber das ist eine unsinnige Frage. Sie sind nicht an meiner Stelle, kein Mensch steckt in der Haut des anderen und schon gar nicht in seinem Kopf. Und was die Zeit anbelangt, wissen Sie, daß ich meine Angelegenheiten geregelt habe. Aber«, Winter stellte die Sauerstoffzufuhr über die Nasensonde höher ein, »wenn Sie mir diesen verdammten Erguß abpunktieren, wäre ich Ihnen schon sehr dankbar.«
    Ich hatte die paar notwendigen Instrumente bereits vorbereitet, und tatsächlich bekam Winter nach der Punktion deutlich besser Luft. Er bedankte sich. Als ich schon in der Tür war, rief er mich kurz zurück.
    »Es war doch Schwester Käthe, die mich Silvester wiederbelebt hat, richtig?«
    Ich nickte.
    »Bringen Sie es ihr schonend bei, und sagen Sie ihr, daß sie nicht traurig sein soll. Ihr verdanke ich immerhin über drei Monate.«
    »Mach ich, Herr Winter. Ich muß sowieso mit ihr reden.« Tatsächlich rief ich Käthe noch am selben Abend an. Ich erzählte ihr von Winter, hauptsächlich aber, daß ich ihr glaubte. Denn nur in ihrer Version ergab die Tatsache, daß sie in der Silvesternacht sofort mit der Wiederbelebung von Winter angefangen und mich dazu gerufen hatte, einen Sinn. Sie wußte damals natürlich, daß sie seinen Namen schon an Margittas Bruder weitergegeben hatte.
    Wäre Käthe wirklich der schwarze Engel, der auf Bestellung tötet, hätte sie nur einfach den Alarm erst ein paar Minuten später auslösen müssen. Und hätte bestimmt auch die falsche Sicherung wieder ausgewechselt. Ich war froh, denn das Gegenteil hätte mich doppelt getroffen: Ich hätte mich in einem Menschen, den ich seit Jahren kenne und dem ich fest vertraue, massiv getäuscht, und ich hätte die Tatsache, daß in unserer Klinik auf Bestellung getötet wird, bekanntmachen müssen.
    Was Käthes Sterbehilfe anging, so würde jetzt auch Herr Winter eine möglicherweise lebensverlängernde Therapie nicht bekommen. Wobei die Entscheidung, eine bestimmte Medikation nicht zu beginnen, deutlich leichter fällt, als sie später abzusetzen.

18

    »So schnell stirbt es sich nicht«, gehört ganz oben auf die Liste der blödesten Sprüche aus dem Arztrepertoire, traf aber für Winter leider zu. Bis auf die Lunge waren die wichtigsten Organe ziemlich intakt, Leber, Nieren und Hirn vom Krebs nicht erreicht, was ein langes Sterben bedeutete. Ein langsames Ersticken bei vollem Bewußtsein, nur gemildert durch

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