Department 19 – Die Mission
General Petrov entgegen.
Sein abgetrennter Kopf saß aufrecht, und seine toten Augen starrten auf die Tür. Das Gesicht war fast nicht wiederzuerkennen. Nase und Kiefer waren mehrfach gebrochen und angeschwollen, die Wangen waren von Schnitten und Kratzern übersät, und der Mund war nur noch eine unförmige Masse. Doch die Augen waren klar und voller Trotz.
Petrov war ein SpezNas gewesen, wenn es darauf ankam. Jede Wette, dass sie vor ihm aufgegeben haben.
Seward betrat das Gewölbe und sah in jede Ecke und jeden Winkel. Er wusste, dass es zwecklos war, und tat es trotzdem – er wollte Petrovs Andenken nicht dadurch entehren, dass er irgendetwas Offensichtliches übersah. Doch in dem Gewölbe war nichts, absolut nichts, mit Ausnahme von Petrovs Kopf.
Seward kehrte zurück in den Stahlkorridor, trat vorsichtig um die menschlichen Überreste herum und zog sein Telefon aus der Tasche. Er wählte eine Nummer und hielt das Gerät ans Ohr. »Sie ist weg«, sagte er, als sich der Teilnehmer am anderen Ende meldete. »Ja, ich bin sicher. Ich stehe im leeren Tresorgewölbe.«
Ein langes Schweigen folgte.
»Verstehe«, sagte er schließlich. »Ich brauche eine Liste von allen, die im Verlauf der letzten achtundvierzig Stunden auf verschlüsselte RKSU-Inhalte zugegriffen haben … Ja, ich warte.«
Er marschierte im Korridor auf und ab, während er auf die gewünschte Information wartete. Nach fast einer Minute berichtete der Teilnehmer am anderen Ende, dass es keinerlei Aufzeichnungen über Zugriffe im gefragten Zeitraum gäbe.
»Wiederholen Sie die Suchanfrage. Übergehen Sie die Sicherheitsprotokolle und benutzen Sie meinen Autorisierungscode: 69347 X. Beeilen Sie sich.«
Beinahe zeitgleich kam die Antwort. Ein einzelner Name.
Seward fluchte. »Seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort, schnell!«, sagte er. »Suchen Sie seinen Chip.«
Qualvolle Sekunden vergingen. Seward war mitten im Korridor stehen geblieben. Die Knöchel der Hand, die das Telefon ans Ohr hielt, waren weiß geworden.
Nicht er. Bitte, nicht er.
Die Stimme am anderen Ende meldete sich wieder und gab die gewünschte Information.
»Sind andere Agenten bei ihm?«, fragte Seward.
Die Stimme antwortete.
»Danke«, sagte Seward und beendete das Gespräch. Er fluchte leise in sich hinein, wählte eine zweite Nummer und wartete ungeduldig darauf, dass Cal Holmwood das Gespräch annahm, was nach dem dritten Klingelzeichen geschah.
»Cal?«, sagte Seward. »Ich bin es, Henry. Sie müssen die Mina nach Russland schicken, sofort. Zum Zentralen Kommando des RKSU. Entschuldigen Sie sich bei den Amerikanern, und machen Sie sich sofort auf den Weg. Wir stecken in Schwierigkeiten. Mächtigen Schwierigkeiten.«
Holmwood klang überrascht, doch er bestätigte die Befehle des Direktors ohne zu zögern. Seward bedankte sich, legte auf und wählte eine dritte Nummer. Er wollte gerade die grüne ANRUFEN-Taste drücken, als das Telefon in seiner Hand vibrierte und läutete. Es war die Nummer, die er soeben gewählt hatte. Er nahm das Gespräch an und drückte den Hörer ans Ohr.
Ohne die Stimme am anderen Ende zu Wort kommen zu lassen, sagte er: »Hören Sie genau zu. Ich muss wissen, wo sich Jamie Carpenter gegenwärtig aufhält. Sein Leben ist in Gefahr.«
Die andere Seite stockte, bevor sie antwortete. Sämtliche Farbe wich aus Sewards Gesicht. »Er läuft direkt in eine Falle!«, sagte er. »Rufen Sie …«
Doch die Person am anderen Ende der Leitung hatte bereits aufgelegt.
42
Unheilige Insel
Die Picknick-Fläche am Ende des Damms, der die Insel Lindisfarne mit dem Festland verband, lag leer und verlassen. Die letzten Touristen hatten bereits am Abend ihre Decken und Essenskörbe eingepackt, waren in ihre Autos und Wohnmobile gestiegen und nach Hause gefahren. Zurückgeblieben waren überquellende Papierkörbe und herumfliegende Abfälle, die träge im feuchten Tau schaukelten, der den Boden bedeckte wie ein Leichentuch. Die Holztische und Bänke waren leer, und der Spielplatz lag im Dunkeln. Die Schaukeln schwangen im Wind hin und her, und das Karussell drehte sich langsam.
Ein dumpfes, rumpelndes Geräusch durchbrach die Stille.
Hätte jemand auf dem Picknickplatz gestanden, er hätte es früher gespürt als gehört – ein dumpfes Beben der Erde, das stärker und stärker wurde, während es sich von Südwesten näherte. Dann ertönte ein regelmäßiges Schlagen wie von einem Uhrwerk, das zunehmend lauter wurde, bis es den Geräuschpegel eines
Weitere Kostenlose Bücher