Department 19 – Die Mission
er Angst und war verwirrt und einsam, und der Gedanke daran brach ihr fast das Herz. Sie atmete tief ein und schlich auf Zehenspitzen durch den Raum.
Die untere Treppenstufe war keine zwei Meter mehr entfernt, als sie hörte, wie oben ein Riegel zurückgeschoben wurde. Die Falltür über der Treppe öffnete sich. Marie erstarrte vor Angst, als ein Paar abgewetzte schwarze Stiefel die Treppe herunterkam und ihr klar wurde, dass man sie ertappt hatte. Hilflos und starr beobachtete sie, wie der Saum eines grauen Umhangs durch die Falltür schwebte, eine blasse weiße Hand sanft über das Geländer glitt und schließlich das Ding in Sicht kam, das sie aus ihrem Heim entführt hatte. Auf seinem Gesicht stand ein liebenswürdiges Lächeln, ein Lächeln, das sich zu einem Grinsen aus reiner Freude weitete, als es die untere Stufe erreicht hatte und Marie vor sich erblickte.
Es trat so rasch vor, dass sie nicht einmal sah, wie es sich bewegte, und packte sie an den Haaren. Marie schrie vor Schmerz und umklammerte sein Handgelenk mit beiden Händen, doch es ließ nicht locker. Ohne erkennbare Mühe zerrte es sie hinter sich her durch den Raum, und sie heulte vor Schmerz, als ihre Zehen über den Betonboden schleiften. Sie zappelte und wand sich in seinem Griff, sie schrie und flehte, es möge sie loslassen, doch es war zwecklos. Sie wurde an den Haaren über den Boden geschleift, weiter und weiter weg von der Treppe.
In einer Ecke ließ das Ding Marie einfach fallen, und sie drückte sich mit dem Rücken gegen die nackte kalte Wand, starrte hinauf zu dem grinsenden Gesicht über ihr und brach in Tränen aus. Das wiederum machte sie wütend auf sich selbst, doch sie konnte nicht anders. Die ganze Hilflosigkeit ihrer Situation überkam sie, sie dachte an ihren Sohn, ihren tapferen kleinen verletzlichen Sohn irgendwo in der Dunkelheit da draußen, allein und ohne Mutter.
Nach einer Weile hockte sich das Ding vor sie und sprach mit freundlicher, sanfter Stimme. »An deiner Stelle würde ich lieber damit aufhören«, sagte es. »Du machst meinen Freund ganz verrückt damit.«
Sie zwang sich, ihr Schluchzen zu unterdrücken, und hob den Blick. Hinter dem Ding, drei Meter entfernt, stand eine zweite, riesige und unförmige Kreatur, die aussah wie ein Sack Kohlen. Sie hatte einen winzigen Kopf auf den gewaltigen Schultern und das flache, offene Gesicht eines Kindes. Die roten Augen starrten sie unverwandt an, und das Kindergesicht zeigte einen Ausdruck unverhohlener Lust. Marie erschauderte und wischte sich mit dem Handrücken über Nase und Augen.
»So ist es besser«, sagte das Ding im grauen Umhang und rutschte an der Wand neben ihr zu Boden, als wären sie alte Freunde. Es zog die Knie an und schlang die langen Arme darum.
»Wir haben uns noch nicht miteinander bekannt gemacht«, sagte es und bedachte Marie mit einem Lächeln, das strahlend weiße, rasiermesserscharfe Zähne enthüllte. »Mein Name ist Alexandru Rusmanov. Und du bist Marie Carpenter, die Frau von Julian Carpenter und Jamies Mutter. So, nun kennen wir uns. Jetzt können wir uns wie Freunde unterhalten.«
Bis jetzt hatte Marie den Kopf angstvoll gesenkt gehalten, die Lider halb geschlossen, den Blick tränenverschleiert, doch bei der Erwähnung von Jamies Namen riss sie die Augen auf. »Wo ist mein Sohn?«, fragte sie. »Was haben Sie mit ihm gemacht?«
»Dein Sohn …«, erwiderte Alexandru genüsslich. »Dein kostbarer Sohn. Verrate mir eins, Marie: Sieht er aus wie sein Vater?«
Sie antwortete nicht, verwirrt vom samtigen, freundlichen Klang der Stimme aus dem Mund dieses grässlichen Wesens.
Alexandrus Augen loderten rot, und mit der Geschwindigkeit einer Kobra schossen seine Arme hoch. Er packte Marie an den Haaren, riss ihren Kopf nach vorn und stieß ihn dann so fest gegen die Wand, dass es krachte. Heißer Schmerz durchzuckte sie, und für einen Moment sah sie Sterne. Sie spürte etwas Warmes, Nasses über ihren Hinterkopf und Nacken laufen und starrte Alexandru an wie jemand, der in einem Albtraum gefangen ist und nicht aufwachen kann.
»Ich habe dich etwas gefragt!«, brüllte das Ding und stieß ihren Kopf ein zweites Mal gegen die Wand. »Sieht er aus wie sein Vater?«
Ihr Hinterkopf krachte ein drittes Mal gegen die Wand, und Panik überwand ihr Grauen.
Er wird mir den Schädel einschlagen, wenn ich ihm nicht antworte. O Gott, was ist das für eine Kreatur?
»Ja! Ja, das tut er! Bitte hören Sie auf! Sie tun mir weh!«, kreischte
Weitere Kostenlose Bücher