Department 19 – Die Mission
Gravur.
George Harker Junior
1981–2007
»Was ist das hier?«, flüsterte er.
»Die Galerie der Gefallenen«, antwortete Morris im gleichen Flüsterton.
»Sind das die Schwarzlicht-Agenten, die gestorben sind?«
Morris lachte, dann schlug er sich die Hand vor den Mund, als fürchtete er, man könnte ihn für diese Respektlosigkeit strafen. Er nahm die Hand wieder herunter und beantwortete Jamies Frage.
»Nicht ganz. Man würde einen größeren Raum als diesen hier benötigen, um ein Porträt jedes Agenten aufzuhängen, der im Einsatz gefallen ist. Einen sehr viel größeren. Nein, das hier ist nur die Elite von Department 19, die Besten und Klügsten und die, die vor ihrer Zeit gestorben sind. Das ist der Raum, in dem unsere Vorfahren weiterleben, Jamie. Jedes Mitglied unserer beiden Familien hängt hier.«
Jamie war beeindruckt von Morris’ Worten und den Bildern in der Galerie ringsum.
Langsam wanderte er an der Reihe der Porträts entlang, die ihn von den roten Wänden herab anschauten, las die Plaketten, sah immer und immer wieder die gleichen Namen: Benjamin Seward, Stephen Holmwood, Albert Harker, David Harker, Quincey Morris II, Peter Seward, Arthur Holmwood II, John Carpenter, David Morris, Albert Holmwood.
Nach drei Vierteln des Weges durch die Galerie stand die einzelne Büste eines Mannes auf einer Marmorsäule frei auf dem Holzboden. Sie war aus grauem Stein gehauen und starrte die Galerie entlang zum Eingang wie ein Wächter, der jeden herausforderte, der sie zu betreten wagte. Das Gesicht war rau und in der Jugend wahrscheinlich einmal sehr ansehnlich gewesen, mit kantigen Kieferknochen und einem dichten Schnurrbart über einem schmalen Mund. Jamie blieb stehen, um die Inschrift im Marmor zu lesen, und Morris, der ihm in zwei Metern Abstand schweigend gefolgt war, tat es ihm gleich.
Quincey Harker
Alles, was wir sind, verdanken wir ihm
1894–1982
»Jonathan Harkers Sohn«, hauchte Jamie, und Morris nickte.
Jamie umrundete die Büste und setzte seinen Weg durch die Galerie fort. Die Porträts wurden immer älter, und bei einigen verblasste schon die Farbe. Andere waren von Rissen durchzogen, die Rahmen stumpf und im Laufe der Jahre verwittert. Am Ende der Galerie angekommen, blickte er hinauf zu den sechs Gemälden an der Wand, den ältesten von allen. Die Männer, die für diese Porträts Modell gesessen hatten, waren allesamt längst tot.
Abraham van Helsing
1827–1904
Jonathan Harker
1861–1917
Quincey Morris
1860–1891
John Seward
1861–1924
Hon. Arthur Holmwood
1858–1940
Henry Carpenter
1870–1922
Auf einem niedrigen Regal unterhalb der Porträts ruhte eine Anzahl kleiner Gegenstände: ein Stethoskop, eine kleine goldene Anstecknadel mit einem kunstvoll eingravierten Familienwappen, ein abgewetzter Cowboyhut sowie ein Kukri -Messer in einer Lederscheide.
»Mein Gott …«, hauchte Jamie. »Sie waren echt. Das wird mir jetzt erst richtig klar. Sie haben wirklich gelebt.«
»Sie haben wirklich gelebt, ja«, sagte Morris. »Und sie sind wirklich gestorben. Einige vor ihrer Zeit.«
Er sah Jamie an, und in seinen Augenwinkeln standen Tränen. Als er erneut sprach, war seine Stimme voller Leidenschaft. »Du und ich, wir sind uns sehr ähnlich«, sagte er mit leuchtenden Augen. »Nachkommen von Gründern. Mitglieder der sechs großen Familien von Schwarzlicht. Doch wir sind beide schwarze Schafe. Wir leiden beide unter den Taten unserer Vorfahren.«
»Wie das?«, fragte Jamie.
»Die Probleme, die du durch deinen Vater hast, müssten inzwischen offensichtlich geworden sein. Meine haben vor mehr als hundert Jahren angefangen.«
»Warum?«
Morris sah ihn einen langen Moment an, als würde er innerlich um einen Entschluss ringen.
»Ich werde dir jetzt nicht die ganze Geschichte erzählen«, sagte er schließlich. »Es ist spät, und die Geschichte verdient es, richtig erzählt zu werden. Zusammengefasst könnte man Folgendes sagen: Du oder ich, wir könnten die Welt hundertmal retten, aber wir wären trotzdem niemals ein Harker, ein Holmwood, ein Seward oder ein Van Helsing. Der innere Zirkel bleibt unseren Familien für immer verschlossen.«
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Jamie.
»Komm mit«, erwiderte Morris und deutete die Galerie entlang. Sie kehrten bis fast zur Tür zurück und blieben vor einem Porträt stehen. Jamie las die Plakette unter dem Rahmen.
Daniel Morris
1953–2004
»Ist das …?«
»Mein Vater, ja. Er war Direktor von
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