Department 19 – Die Mission
Maries letzter klarer Gedanke, bevor sie ein weiteres Mal das Bewusstsein verlor.
Ich liebe dich.
Es tut mir so leid.
19
Blut und Briefe
Jamie konnte sich nicht erinnern, sich schon jemals so schrecklich gefühlt zu haben. Jeder Quadratzentimeter seines Körpers schmerzte, vom Hals bis zu den Füßen, und sein Kopf war schwer vor Müdigkeit und Schuldgefühlen. Seine Mutter war verschwunden, und es war an ihm, sie zu finden und zu retten. Er hatte verlangt, nach ihr suchen zu dürfen, hatte Admiral Seward die Stirn geboten und jedem anderen, der versucht hatte, ihn aufzuhalten – jetzt durfte er endlich mit der Suche anfangen, und was hatte er? Angst.
Was, wenn ich es nicht schaffe? Was, wenn ich sie niemals wiedersehe? Was wird dann aus mir?
Jamie humpelte zum Duschbereich am Ende des Schlafsaals und wusch seinen geschundenen Körper so behutsam, wie es unter den gegebenen Umständen möglich war. Er trocknete sich ab und zog die Schwarzlicht-Uniform an, die Terry ihm gegeben hatte. Mit einem Mal sah sie gar nicht mehr so verlockend aus wie noch am Tag zuvor; in der Kühle des Morgens wirkte sie hässlich und brutal, und Jamie erschauerte ein wenig, als er sie anzog.
Am Ende des Schlafsaals klopfte es an die Tür. Jamie antwortete nicht, und nach ein paar Sekunden wurde die Tür geöffnet. Frankenstein betrat den Raum. Er musste sich bücken, um unter dem Türrahmen hindurchzupassen, und als er auf Jamie zukam, streifte sein dichter Schopf schwarzer Haare auf dem riesigen unförmigen Schädel unter der Decke entlang. Vor Jamie blieb er stehen und sah auf den Jungen hinunter.
»Ich möchte, dass du dir etwas ansiehst«, sagte Frankenstein. »Bist du fertig?«
Jamie zuckte mit den Schultern.
»Da du dich offensichtlich nicht dazu überwinden kannst, mir zu antworten, nehme ich das als ein Ja«, fuhr das Monster fort und entfernte sich durch den Schlafsaal in Richtung Tür. Jamie sah ihm hinterher, bis er die Tür fast wieder erreicht hatte, dann stieß er einen langen, verdrießlichen Seufzer aus, erhob sich und folgte ihm.
Frankenstein marschierte durch die Korridore, und Jamie hatte Mühe mitzuhalten. Erst jetzt wurde ihm klar, wie sehr der Riese normalerweise seine Schritte ihm zuliebe verlangsamte. Er folgte Frankenstein in einen Aufzug und zwei Ebenen nach unten, durch einen breiten Hauptkorridor und in die Krankenstation, wo er seine erste Nacht in der Basis verbracht hatte. Sein Magen krampfte sich zusammen, als er durch die Schwingtür ging. Die Erinnerung an den Angriff durch Larissa stieg in ihm auf und an seine furchtbare Ohnmacht, als ihre Finger ihm die Kehle zugedrückt hatten, ihr warmes Blut auf seinem Gesicht.
Mitten in der Station stand eine Rollbahre aus Metall, um die sich drei Männer versammelt hatten: Paul Turner, Thomas Morris und der Arzt, der Jamie behandelt hatte. Sie drehten sich zu den Neuankömmlingen um und traten dann beiseite, sodass Jamie und Frankenstein Platz in der Runde hatten. Neben der Rollbahre, auf der eine große Gestalt unter einem weißen Laken lag, stand ein kleinerer Tisch mit medizinischem Gerät.
Mum?
Jamies Beine waren plötzlich schwer wie Blei. Er konnte sich nicht mehr bewegen. Säure füllte seinen Magen, und einen Moment lang glaubte er, sich übergeben zu müssen.
»Es ist nicht deine Mutter«, sagte Frankenstein leise. Jamie sah zu ihm auf, das Gesicht grün vor Angst, und Frankenstein wiederholte seine Worte.
»Es ist nicht deine Mutter. Glaub mir.«
Die Galle in seiner Speiseröhre zog sich zurück, und er zwang seine Beine, sich wieder zu bewegen, eines nach dem anderen, und trat zum Tisch.
Wenn es nicht Mum ist, wer dann? Irgendjemand liegt unter dem Laken.
Eine Gänsehaut kroch über seine Arme, als Morris ihm auf die Schulter schlug und ihn mit einem lauten »Guten Morgen!« begrüßte.
»Guten Morgen«, antwortete er mit zitternder Stimme.
Morris warf einen fragenden Blick zu Frankenstein, der den Kopf schüttelte.
Paul Turner beobachtete den stummen Austausch aus grauen, kalten Augen. »Können wir jetzt weitermachen?«, fragte er.
»Das sollten wir«, sagte der Arzt. »Jamie, das mag dich jetzt vielleicht erschüttern, aber Colonel Frankenstein glaubt, dass es nötig ist. Brauchst du ein Glas Wasser?«
Jamie schüttelte den Kopf.
»Wie du meinst«, sagte der Arzt und schlug das Laken zurück.
Jamie wandte sich ab und würgte. Er musste sich mit den Händen auf den Knien abstützen, den Kopf gesenkt. Speichel flutete seinen
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