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Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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braucht dringend eine Lektion. In Sache Erziehung. Merkt er denn nicht, daß er schon allein durch sein aufgeblasenes Gebaren den Sohn geradezu provoziert, sich gegen die väterliche Autorität aufzulehnen? Das alte Lied. Und das am Montag morgen. Nun ja, herein mit den beiden!
    Mister Howard und Sohn werden durch den Wartezimmer-Lautsprecher zum Doktor gebeten. Der Vater marschiert großspurig herein, gefolgt von einem latschenden Schnösel von Sohn.
    »Mister Howard, bitte, nehmen Sie Platz. Du auch, Michell.«
    »Haben wir denn schon Brüderschaft getrunken?«
    »Ooh... verzeihen Sie bitte diesen dummen Ausrutscher, Mister Howard Junior! Möchten Sie sich vielleicht hier hinsetzen? Bitte sehr!«
    »Na also, warum nicht gleich!«
    Der Junior versinkt in dem Sessel und legt sogleich die Füße auf den glänzenden, weißen Acryl-Schreibtisch. Nun schaut er stolz und zufrieden in die Runde und wartet auf die empörte Reaktion seines Alten. Es ist so einfach, ihn zu ärgern! Nicht einmal hier kann er sich beherrschen. Da! Er schreit schon!
    »Michell! Benimm dich! Setz dich anständig hin!«
    »...und bohre nicht in der Nase und sag dem lieben Onkel schön brav guten Tag! Zu Befehl, Daddy! Herr Professor, erlauben Sie mir, Ihnen einen guten Tag zu wünschen. Wie liebenswürdig von Ihnen, doch noch einen Termin für meine Nichtigkeit frei gemacht zu haben!«
    Dr. Harrison ist Psychiater von Beruf. Solche Familienszenen sind bei ihm an der Tagesordnung. Er blättert scheinbar geschäftig seine Akten durch und wartet bis Vater und Sohn geruhen, seiner Anwesenheit Rechnung zu tragen. Als sie endlich für eine Sekunde die Luft anhalten, ergreift er sofort die günstige Gelegenheit und fragt, ohne aufzuschauen:
    »Seit wann?«
    Die knappen zwei Worte verwirren den Vater derart, daß ihm zunächst nichts einfällt. Er sitzt mit offenem Munde da, während der 14jährige klar und deutlich, gefaßt und höflich antwortet:
    »Seit ich nicht mehr bei meiner Großmutter leben darf. Seit einem Jahr ungefähr. In den letzten Wochen wurde die Lage allerdings katastrophal.«
    Jetzt endlich sprudelt der Vater seine Litanei heraus: »Herr Doktor, Sie können es mir glauben! Es ist mir weiß Gott nicht leicht gefallen, heute mit meinem Sohn hierher zu kommen. Normalerweise werde ich allein mit allem fertig! Aber... aber ich bin am Ende meines Lateins! Wir hatten niemals Schwierigkeiten mit Michell - bis vor einem Jahr! Aber dann, aus heiterem Himmel, wurde er frech und ungezogen, arrogant und von Tag zu Tag aggressiver! Er treibt sich nur noch herum, ohne ein Wort, wann er uns die Ehre erweisen will, nach Hause zu kommen! Stellen Sie sich vor — neuerdings weigert er sich sogar, mit uns am Tisch zu sitzen! Pubertät hin, Pubertät her — das geht entschieden zu weit! Meine Frau und ich, wir sind völlig am Ende.«
    Michell grinst und stellt ostentativ wieder die Füße auf den Schreibtisch. Mr. Howard schüttelt dieses Mal nur noch gottergeben den Kopf:
    »Womit haben wir das verdient…?«
    Der Arzt lächelt nachsichtig und wendet sich an den Jungen:
    »Michell, was sagst du dazu?«
    »Mein Vater hat recht. So bin ich!«
    »Macht es dir Spaß, den Buhmann zu spielen?«
    »Nein. Überhaupt nicht. Es ist doof und langweilig. Aber es bleibt mir nichts anderes übrig.«
    »Was willst du damit erreichen?«
    »Ich will wieder zu meiner Großmutter. Das ist alles.« Jetzt kommt man der Sache schon näher.
    Mr. Howard ist nach seiner heftigen Rede auffallend ruhig geworden und fühlt sich offenbar nicht wohl in seiner Haut. Er seufzt tief und beginnt, dem Arzt ein paar Kleinigkeiten zu erzählen: Michell ist sein einziges Kind, und vor zwei Jahren ist die Mutter plötzlich gestorben. Damals konnte er sich nicht um den Jungen kümmern — aus beruflichen Gründen — verstehen Sie? Also lebte Michell in einer anderen Stadt bei seiner Großmutter. Aber nur ein Jahr lang! Dann heiratete Mr. Howard wieder und holte sofort sein Kind wieder zu sich. Doch gleich am ersten Tag begannen die Probleme! Der Junge wollte nicht einmal mit seiner neuen Mutter sprechen! Das ist alles, Herr Doktor, und seitdem ist die Hölle los! Ja, das ist alles. Ein klarer Fall. Der Psychiater bittet den Vater, im Vorzimmer zu warten und unterhält sich nun allein mit Michell — von Mann zu Mann sozusagen.
    »Du willst unbedingt zu deiner Großmutter zurück?«
    »Ja, Herr Doktor.«
    »Und dein Vater will nicht. Was sagt deine Großmutter dazu?«
    »Sie war sehr

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