Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
Probleme, die sich aus der Erkrankung unseres Angehörigen ergeben. Wir zermartern uns den Kopf, nicht ob überhaupt, sondern inwieweit wir daran »schuld« sind. Ist ein Kind in die Depression abgetaucht, fragen wir uns als Eltern, inwiefern unsere Erziehung falsch war. Handelt es sich um unseren Partner, untersuchen wir unser bisheriges Verhalten in der Beziehung aufs Genaueste. Und wir werden immer etwas finden …
Und finden wir nichts Tadelnswertes, bezichtigen wir uns der Gefühllosigkeit oder Oberflächlichkeit dem Patienten und den Problemen gegenüber. Wir fragen uns auch im täglichen Umgang ständig, ob wir etwas besser machen könnten, ob es noch etwas gäbe, das dem Kranken sein Los erleichterte oder gar die Leidenszeit abkürzte. Tun wir auch genug? Diese Überlegungen bergen die Gefahr in sich, uns zu blockieren.
Wir können (mit schlechtem Gewissen) im Sinne des Energiesparens unseren Umgang mit dem Patienten einschränken, um Energie zu sparen. Wir lassen ihn machen, wir vermeiden Grundsatzdiskussionen (von Ratschlägen ganz zu schweigen), wir lassen alles, wie es ist, bzw. wir lassen vieles schleifen. Wenn es uns gelingt, fürs Erste fünf gerade sein zu lassen, wenn wir Abstand gewinnen können von den Zuständen zu Hause, so ist der erste Schritt zur Entkrampfung, zur Besserung getan. Und jede Reise beginnt bekanntlich mit dem ersten Schritt.
Ganz kontraproduktiv und zu vermeiden sind Vorwürfe an uns selber wie »Hätte ich doch …«. Was in der Vergangenheit geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden. Wir können aber unsere Fehler und Irrtümer zur Kenntnis nehmen, was zu Verhaltensänderungen führen kann. Ich habe mit Absicht das Verb »kann« und nicht »muss« gewählt. Es kann ja auch sein, dass unser damaliges Handeln im Lichte der damals bekannten Tatsachen richtig war – oder dass wir mit der Krankheit Depression noch zu wenig vertraut waren.
In dieses Kapitel gehören auch die »Strafuntersuchungen gegen uns selbst« in Bezug auf unser bisheriges Verhältnis zum Patienten. Tatsache ist, dass zwischen Partnerproblemen und Depressionen ein enger Zusammenhang (in beiden Richtungen) besteht. Wenn unsere Partnerbeziehung vor dem Super-GAU unbefriedigend war (um es neutral auszudrücken) und wir nichts dagegen taten, so ist das jetzt so, basta, und ändern können wir im Moment nichts. Vielleicht hilft es aber, wenn wir uns Gedanken machen (und diese aufschreiben!) über das »Nachher«, wenn unser Patient den Ausstieg geschafft hat, die Welt wieder rosiger sieht und für eine Grundsatzdiskussion wieder offen ist. Hoffnung ist ein guter Heiler.
Auch Selbstvorwürfe der Kinder wegen, »die ja nichts dafür können«, wären fehl am Platz. Natürlich können sie nichts dafür. Sie haben darum Anspruch auf eine ihrem Alter entsprechende Aufklärung über die Krankheit. Und sie haben Anspruch darauf, ihr Leben soweit immer möglich unbehelligt weiterzuführen. Wir dürfen sie nicht als Blitzableiter missbrauchen, es wäre aber ebenso falsch, sie mit Liebe zuzudecken, weil sie ja jetzt auf einen Elternteil verzichten müssen. Dies heißt wiederum nicht, dass wir ihnen die fehlende Zuneigung unseres Partners, der momentan in seiner eigenen Welt versponnen ist, nicht so gut als möglich ersetzen sollen. Wichtig ist, ihnen zu vermitteln, dass sie in keiner Weise »schuld« sind am Zustand des Kranken.
Wir sollten also Abstand nehmen, auch von uns selbst. Wie soll uns das gelingen? Es gibt kein Patentrezept. Auch die Checkliste Umgang mit der Krankheit ist keines. Aber es hilft uns vielleicht, die ganzen Vorwürfe aufzuschreiben. Auf diese Weise entledigen wir uns unserer Grübel-Last, wir sind eher in der Lage, Neues zu denken und zu tun. Wir können ein ganz intimes Tagebuch führen oder bereits bei der Niederschrift daran denken, dass unsere Gedanken auch einmal jemand anderem nützlich sein könnten, sei es einem Schicksalsgenossen mit ähnlichen Problemen, sei es einem Verwandten oder Freund, der dadurch unsere Situation besser verstehen kann – die meinige und evtl. auch die des Patienten. Vielleicht kann er uns gar Hilfe bringen.
Noch ein Tipp: Überlegen wir uns, wie es wäre, wenn Außenstehende uns die Vorwürfe machten, mit denen wir uns selber belasten. Würden wir sie schuldbewusst akzeptieren, oder würden wir uns dagegen auflehnen? Wenn wir sie akzeptieren, dann brauchen wir wirklich Hilfe, denn unser Patient kann keinen Zweifler brauchen. Wenn nicht, dann ist das
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