Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
sagte ich zu ihm: »Du solltest die Tatsache deiner Heilung in einem Buch einer größeren Lesergemeinde kundtun, um deinen ehemaligen Leidensgenossen Mut zu machen.« Ich habe ihm dann auf seinen Wunsch dabei geholfen. Und wenn das daraus entstandene Buch auch nur einem depressionsgeplagten Menschen geholfen hat, dann haben sich unsere Mühen gelohnt. So hoffen der Verlag und wir Autoren natürlich auch, dass dieses neue Buch im Sinne einer Wissenserweiterung möglichst vielen Angehörigen eine Hilfe sei.
Es gibt auch belletristische Werke, die sich mit dem Schicksal »Depression« auseinandersetzen. Die wohl am leichtesten zu lesende literarische Darstellung einer Depression ist »Die schwarze Couch« von Pierre Daninos, dem Erfinder des Major Thompson, 1968 (!) im Arche-Verlag, Zürich, erschienen. Die französische Urfassung hieß »Le 36ème dessous«, (1966 bei Hachette, Paris). Daninos war vor allem Humoristiker. Wie viele Menschen seiner Wesensart wurde er von Depressionen geplagt. Seine Schilderung ist, bei aller Tragik, von feinem (Galgen-)Humor durchzogen.
Unsere Grenzen sehen
Lasst uns die Augen offenhalten nach Warnsignalen, dass unsere Kräfte an Grenzen kommen, dass uns der Rücken mehr schmerzt als sonst, dass unsere Stimmung nicht nur angesichts des Leidens des Depressionsbetroffenen gedrückt ist, sondern auch wegen unserer eigenen körperlichen und seelischen Übermüdung. Suchen wir Hilfe, wir sind nicht allein! Verwandte und Freunde mit etwas größerem Abstand zum Kranken können sehr effiziente Entlastung bieten und tun dies uns zuliebe gern. Um den Stand der Dinge abzuklären, vielleicht auch den Ernst der Lage, sollten wir die beiden Checklisten Neige ich zur Depressivität? und Depressionssymptome bei Betreuern konsultieren. Sehr empfehlenswert ist ferner, eine psychologische bzw. psychiatrische Fachkraft aufzusuchen, die mit Wissen und Erfahrung auch unsere verdrängten und deswegen nicht weniger schädlichen eigenen Probleme ans Licht bringt und löst.
Mimose mit grauem Weltbild
Was ganz besonders an unseren Kräften zehrt, ist die negative Grundstimmung des Patienten, der wir täglich ausgesetzt sind. In der Depression ist die Gemütslage des Kranken noch düsterer als bei einer körperlichen Erkrankung. Ich habe sie auf S. 91 ff. ausführlich dargestellt.
Wir dürfen, ja wir müssen uns bewusst sein: Zur Krankheit gehört, dass das Weltbild des Abgetauchten nur noch aus Minus-, bestenfalls aus Leerzeichen besteht, ebenso sein Bild von sich selber. Er ist oft traurig, schlecht gelaunt, unfreundlich, misstrauisch, feindselig gegen die Welt, seine Umgebung und seine engsten Vertrauten – und eben sich selber. Seine Wesenszüge, die ihn uns liebenswert machten, verkehren sich ins Gegenteil. Der Optimist wird zum Zyniker, der Abgeklärte wird jähzornig. Gerade der Umstand, dass sein Denken und Verhalten nicht seinem Naturell entsprechen, zeigt uns, dass sein momentanes Wesen von der Krankheit beeinflusst wird, von ihr im wahrsten Sinne des Wortes besessen ist.
Bei unseren Annäherungsversuchen müssen wir uns außerdem bewusst sein, dass unser normaler Einfluss auf den Partner ausgeschaltet ist. Wir dürfen seine Ausbrüche aber nicht auf uns beziehen. Wir müssen sie an uns abprallen lassen, wir dürfen uns keine Vorwürfe machen.
Natürlich sind auch Retourkutschen in Form von Vorwürfen an den Kranken nicht angebracht. Entweder laufen sie ins Leere, werden ohne Überlegung abgelehnt oder an den Absender zurückgeschossen, oder – am schlimmsten – sie sind Anlass für weitere Selbstvorwürfe. Es sind schon genügend »Vorwürfe« im Raum, die der Kranke auf sich bezieht.
Ansteckungsgefahr
Angehörige von Depressionskranken, vor allem die Partner, riskieren oft selbst in Depressionen zu verfallen.
Wir laufen Gefahr, dass der Gemütszustand des Erkrankten auf uns abfärbt. Wenn er stumpf vor sich hinbrütet, wenn er gar zetert und jammert, fällt es uns schwer, unsere gewohnte Stimmung aufrechtzuerhalten. Unsere heitere Gelassenheit kommt uns vielleicht sogar ungehörig vor angesichts der Verzweiflung unseres Nächsten. Tragen wir Fröhlichkeit zur Schau, wirft uns der Kranke eventuell Gleichgültigkeit vor. Schöne Erlebnisse behalten wir für uns – und vergessen sie. Oder wir nehmen den Kranken in Schutz, vor allem gegen Urteile anderer, aber auch vor uns selber und unseren »unstatthaften« Gedanken. Wir wollen nicht ständig von Zweifeln geplagt werden, wir verdrängen
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