Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige

Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige

Titel: Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John P. Kummer Fritz Kamer
Vom Netzwerk:
anzurichten, so kann auch mal ein Tränenfluss die verstopften Leitungen wieder durchlässig machen – und der Kranke merkt überdies, dass auch wir keine Übermenschen sind. Dies kann ihn beruhigen oder umgekehrt Panik in seinem Kopf auslösen.
    Bevor wir aber Magengeschwüre oder Ähnliches entwickeln, müssen wir akzeptieren, dass unsere Belastbarkeit Grenzen hat und dass wir Hilfe brauchen, bei erfahrenen Personen, auch Therapeuten. Beim Depressionsbetroffenen spricht man von Vulnerabilität. Auch wir sind verletzlich.
    Ventil Trauer
    Die Schwarze Dame ist wie ein Kuckuck. Sie macht sich breit und breiter und wirft alles Mögliche über den Nestrand hinaus. Unser Leben als Angehörige von Menschen, die in der Depression versunken sind, ändert sich mehr oder weniger radikal. Von viel Vertrautem, was zu unserem Leben gehört hat, müssen wir Abschied nehmen, vorübergehend oder definitiv.
    Schon der Alltag ist anders geworden. Die persönliche Beziehung zum Erkrankten hat sich auf eine Weise gewandelt, die wir nicht vorausgesehen haben – vor allem, wenn es sich um seinen ersten »Tauchgang« handelt. Es kann sein, dass wir beim Partner statt auf Liebe und Anerkennung auf Zurückweisung stoßen. Ein gemeinsames Leben ist nicht mehr möglich. Wir haben unsere Autonomie eingebüßt. Wir sind einsam, traurig und desillusioniert.
    Wie frisch sind wir ausgezogen, die Welt zu erobern, und nun müssen wir strampeln, dass sie uns nicht ganz abhandenkommt. Wir wollen nicht verstehen, wir reagieren mit Wut: Das kann doch das Schicksal nicht mit uns machen! Nicht mit uns! Oder wir stürzen uns in alle möglichen Aktivitäten, vor allem zugunsten des Kranken. Die Trauer lauert und wartet, bis wir erschöpft sind und innehalten müssen.
    Abschied nehmen ist traurig und tut weh. Darum haben wir allerhand Strategien entwickelt, um diesem Schmerz zu entgehen. Aber: In den wenigsten Fällen nützt es etwas, sich zu sagen »Es wird schon wieder«. Vielleicht wird es zwar einmal wieder, aber die jetzige Zeit ist verloren, und wir sollten, im Fall einer Wiederholung, nicht ein zweites Mal in die gleichen Abgründe stürzen. So schmerzvoll es auch sein mag: Es ist viel heilsamer, die Trauerfälle an sich heranzulassen, sie zu analysieren als zu versuchen, sie zu unterdrücken.
    Nur ein ehrliches Annehmen dessen, was (hoffentlich nur vorübergehend) nicht zu ändern ist, lässt uns ruhig werden. Wir wissen aus Erfahrung, dass auf Weinkrämpfe ruhigere Phasen folgen. Den Schmerz zu unterdrücken bringt nichts. Wenn wir ruhig sind, verliert das schwarze Monster »Verlust« seine Macht über uns. Nur wenn wir ruhig sind, können wir mit dem Kranken auf einer fruchtbaren Ebene kommunizieren. Falsche Fröhlichkeit und geheuchelte Zuversicht dem Depressionsbetroffenen gegenüber prallen ab oder werden mit negativen Entgegnungen quittiert.
    Wir Gesunde sind in der Lage, unsere Gefühle zu beeinflussen. Wir können an die frische Luft gehen, statt in einer Ecke zu hocken, oder wir begeben uns unter fröhliche Leute.
    Jeder Mensch trauert, und das des Öfteren. Verluste – ob menschliche oder materielle – lassen uns trauern. Verluste sind, wie gesehen, auch eine häufige Ursache von Depressionen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht auch depressiv werden. Und doch können wir die Trauer nicht einfach wegschieben, wir müssen sie annehmen und ihren Gründen ins Auge schauen.
    Ohne Loslassen des Alten gibt es keinen Neuanfang. Deshalb müssen wir das Alte genau anschauen: Ist es die Trauer wert? Verletzter Stolz und Wut können Ursachen sein, die der Trauer nicht wert sind. Trauer ist ein sehr emotionales Gefühl, das uns auch täuschen kann. Wenn es uns gelingt, das Gefühl zu beruhigen, ermöglicht ein klarer Kopf die Analyse des »Trauerfalles«, und das hilft, diesen zu überwinden, viel eher als ein sturer Kampf gegen Kummer und Weltschmerz. Dazu muss ich aber mein Trauern annehmen, ich darf trauern, um die Trauer zu besiegen.
    Um den neuen Alltagsprüfungen gewachsen zu sein, wenn unser Freund in die Depression versinkt, dürfen wir die Trauer eine Weile beiseiteschieben – falls uns das gelingt. Sie bleibt aber da, unser Herz wird unfrei, die Trauer nagt im Hintergrund an unseren Seelenkräften. Gehen wir sie also an, bevor der Körper das Kommando übernimmt und uns lahm legt.
    Wenn wir versuchen, uns mit den veränderten Umständen zu arrangieren, wenn wir meinen, wir seien über die niedrigen Gefühle der Trauer erhaben, sind wir

Weitere Kostenlose Bücher