Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
unser Paarverhältnis einer Betrachtung unterziehen, die zugleich liebevoller und unvoreingenommen sein soll. Einfach ist das sicher nicht. Die Seelenlage des mit seiner Depression Beschäftigten lässt ihn nicht ohne weiteres mitmachen. Vielleicht ist Hilfe von außen erforderlich, etwa eine Paartherapie. Wenn es aber gelingt, Altlasten wegzuräumen und sich der durch die Prüfungen verstärkten Gefühle bewusst zu werden, ist für die Genesung des Kranken und die Seelenhygiene des Gesunden Unschätzbares gewonnen. Vielleicht werden uns Gemeinsamkeiten bewusst, die längst in der Routine versunken waren. Selbst wenn wir uns eingestehen müssen, dass sich die ursprünglichen Grundlagen schon vor langer Zeit verabschiedet haben, kann die Beziehung, befreit von Lebenslügen und faulen Kompromissen, auf eine neue, realistischere Grundlage gestellt werden – und sei es vorerst nur für die Dauer des »Ausnahmezustandes«. Nochmals: Schwerwiegende, definitive Entscheidungen werden besser auf »nachher« verschoben.
Abgesehen von der Paarbeziehung müssen gewisse Fragen des Modus Vivendi geklärt werden. Das betrifft anfangs einmal die Art der Problemlösung: Kann der Patient bei nötigen Entscheidungen mitarbeiten, geistig und körperlich, kann er sie mittragen oder ist er zu sehr in sich selbst versponnen und müssen wir für ihn denken und handeln?
Das gilt auch für die Mitarbeit bei der Krankheit und dem Heilungsprozess. Muss ich den Karren allein ziehen, oder kämpfen wir gemeinsam gegen die Depression? Dabei stellt sich für mich die Frage, wie ich mit einer eventuellen Trägheit des in der Depression Versunkenen zu Rande komme. Wieviel Mitarbeit kann ich fordern – dazu gehört auch die Äußerung von Bedürfnissen seinerseits. Wieviel Verantwortung kann/soll er, wieviel will/muss ich übernehmen?
Ein konkreter Fall zur Illustration: Angenommen, wir haben vor kurzem ein Haus gekauft. Für uns als Gesunde ist das Pläneschmieden eine wohltuende Ablenkung. Für den Kranken auch, wenn er nicht allzu sehr in seiner Depression versponnen ist und ihm nicht jede kleinste Entscheidung Mühe bereitet. Sind wir aber dann in der neuen Umgebung, so kann schon der Tapetenwechsel gut tun, ganz zu schweigen von der Freude des Einrichtens und der Arbeit im Garten. Dies gilt auch für unseren Depressionsbetroffenen – sofern sein Seelenzustand nicht so ist, dass ihn jeder Wechsel der Umgebung total verängstigt.
Voraussetzung für das gute Funktionieren der Paarfirma ist allerdings, dass man sich nicht in einem Zustand der Gereiztheit gegenübertritt, sondern mit Empathie und Verständnis für die Probleme und Bedürfnisse des anderen. Und mit dem Bewusstsein, dass keiner der beiden auf einer höheren Ebene steht, wie immer diese definiert sei.
Die Arbeitsfirma
Die wenigsten von uns können sich hauptamtlich der Betreueraufgabe widmen. Meist sind wir nach wie vor berufstätig und beispielsweise in ein Unternehmen eingebunden. Dies erleichtert unser Leben auf der einen Seite, weil uns tagtäglich gewisse Luftveränderungs- und Abschaltmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Wir haben ein Gegengewicht zu den häuslichen Aufgaben und Sorgen. Auf der anderen Seite wird unser Alltag erschwert, wir stöhnen unter der Doppelbelastung von Pflege/Hausarbeit und Beruf/Karriere.
Vielleicht haben wir unsere beruflichen Tätigkeiten für eine Weile auf Sparmodus geschaltet. Das mag, vor allem für Selbstständige, eine Weile gutgehen. Das eigene Geschäft läuft unter kompetenten Stellvertretern trotzdem weiter. Sind wir angestellt, so hat unser Arbeitgeber vielleicht Verständnis für unsere aktuelle Situation. Ich brauche aber nicht zu betonen, dass (fast) jede Aufgabe in der Geschäftswelt heutzutage unseren vollen Einsatz verlangt. Auch hier gilt der makabre Spruch »Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit«. Wir (und unser Chef) können also die Zügel nicht längere Zeit schleifenlassen. Erfolgserlebnisse, auf die wir bei unserer Pflege so oft verzichten müssen. Wir können uns glücklich schätzen, wenn wir im Beruf einen Ausgleich finden und uns an den beruflichen Erfolgserlebnissen hochziehen können.
Auf jeden Fall sollten wir unsere besondere Lage nicht aus falscher Scham heraus vertuschen. Wir benötigen Verständnis bei unseren Vorgesetzten und Kollegen. Möglicherweise bieten diese sogar spontan Hilfe an.
Die Gesellschaftsfirma
Der Mensch ist ein geselliges Wesen. Schon verschiedentlich ist uns unsere familiäre
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