Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
dem Umfeld. Es ist aber leider nicht immer so:
Eine kürzlich durchgeführte Befragung in den Selbsthilfegruppen ergab, dass fast 40 Prozent der teilnehmenden Depressionsbetroffenen ihre Partner durch Trennung und Scheidung verloren haben. Es heißt dann einfach plötzlich: »Du musst da alleine durch, es ist deine Krankheit, ich kann dir nicht helfen, es zieht mich herunter und deshalb verabschiede ich mich«. Dies ist das traurige, negative Ende der Skala: Man verabschiedet sich von einer leider noch stark stigmatisierten Problematik, die man nicht versteht, nicht verstehen will. Man bringt auch keine Willenskraft auf zur Liebe, Solidarität und Hilfe für den Menschen, der einem einmal alles bedeutet hat.
Eine spezielle Problematik liegt im Verhältnis der Kinder zum Depressionsbetroffenen: Wie sag’ ich’s meinem Kinde? Offenheit führt zu einem möglichst guten und vertrauensvollen Verhältnis mit dem Kind. Verschleiern hilft nichts, da das Kind die Veränderung in der Situation der Familie sehr schnell spürt. Natürlich bestimmt das Alter der Kinder die Art und Weise, wie der gesunde Elternteil das Leiden des Betroffenen schildert, damit das Kind Verständnis aufbringen kann für das Benehmen, das plötzlich so befremdlich und anders ist. Wenn der Betroffene selbst die Kraft aufbringen kann, dem Kind über sein Leiden in groben Zügen zu berichten, wird das Kind versuchen, die eigenartige Krankheit zu begreifen und zu akzeptieren.
Verhältnis der Angehörigen und des Betroffenen zum Arzt
Auch hier waren Gemeinsamkeiten festzustellen. Mit einer Ausnahme war man mit der ärztlichen Betreuung recht zufrieden. Die Ausnahme zu beschreiben ist sehr einfach: Abgesehen von einem Eingangsgespräch bei Klinikeintritt war vom Arzt in der Folge nicht mehr viel zu sehen. Der Patient hat sich dann selber geholfen. Da er gut kommunizieren konnte, hat er sich die für ihn wichtigen Informationen im Umfeld der Klinik geholt.
Allgemein war die ärztliche Hilfe und Betreuung gut, und das Informationsbedürfnis wurde – wenn genügend Zeit vorhanden war – gestillt. Der Hausarzt ist vor allem bei Krankheitsbeginn als Anlaufstelle wichtig. Es zeigte sich dann aber bei den meisten Patienten bald, dass spezialärztliche Hilfe notwendig war.
Ärzte beanspruchen im Allgemeinen den Patienten für sich allein – Angehörige werden eher als Störfaktor betrachtet. Diese wurden oft kurz abgefertigt oder gar nicht angehört. Das Arztgeheimnis wird noch oft als Begründung für die Verweigerung von Auskünften an den Partner oder die Familie eingesetzt. Dieses Hindernis kann der Patient beseitigen, indem er den Arzt schriftlich zur Auskunftserteilung der Familie oder dem Partner gegenüber ermächtigt.
Erfreulicherweise setzt sich immer mehr das Dreiergespräch zwischen Arzt, Patient und Betreuer durch, was für Diagnose und Therapie sehr förderlich ist. Drei Seiten wissen mehr als zwei, und zwei von den dreien können sich zusammentun und an der dritten Überzeugungsarbeit leisten. Der Patient als schwächste Seite sollte sich aber nicht vereinnahmt fühlen, sondern die beiden anderen sollen ihn bewegen, die für ihn beste Lösung zu akzeptieren.
Die Rolle des Stigmas
Eine weitere Gemeinsamkeit im Erleben vieler Angehöriger betrifft die Stigmatisierung der Krankheit Depression. Eine solche Stigmatisierung wurde von den Angehörigen kaum bemerkt oder wahrgenommen. Man ist schließlich aufgeklärt und will sich nicht noch zusätzlich den Kopf zerbrechen, was die Nachbarn oder die Verwandten zu sagen haben. Das ist eine sehr gesunde Einstellung. Angehörige haben sich teilweise untereinander ausgetauscht, wie man sich am besten verhält, und das hat sich sehr bewährt.
Wie die Angehörigen berichteten, hat nicht jeder Betroffene diese gesunde Sicht auf das Stigma. Teilweise leiden sie noch sehr darunter und suchen Ausflüchte, wenn es z. B. im Gespräch heißt: »Haben Sie eigentlich Ferien, oder warum arbeiten Sie nicht?« Unabhängige, selbstständige Menschen haben dabei weniger Mühe sich zu »outen«.
Mitunter haben Personen im weiteren Umfeld mehr Probleme mit dem Stigma als Betroffene und Angehörige: Eine unserer Freundinnen, die Frau eines wunderbaren Freundes, der als Lehrer betroffen ist, meinte: Die Lehrerschaft im Schulhaus, der Rektor inklusive, kann nicht einmal ansatzweise über die kranke Psyche reden …
Die Wünsche der Angehörigen nach Aufklärung
Viele Angehörige wünschen sich mehr Aufklärung der
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