Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
Bevölkerung. Wenn die Partnerin eines Betroffenen zufällig Bekannte trifft, stellt sie fest, dass die Gesprächspartner oft nicht die geringste Ahnung haben, was die Depression überhaupt für eine Krankheit sei.
Ein interessierter Angehöriger berichtete, er hätte nie etwas von irgendwelchen Aktivitäten oder Bündnissen zur Information und Aufklärung gehört.
Man weiß eventuell noch, dass »der Betroffene nicht gut drauf ist«, aber das war es auch schon. Da bekommt man dann solche Kommentare zu hören: »Mach doch mal blau, wenn du nicht mehr magst, oder gehe in den Urlaub, wenn du den Stress nicht mehr aushältst. Warte doch, ich komme gleich mit, dann geht’s dir bald wieder besser!«
Wenn solche Menschen dann plötzlich einen Fall in der eigenen Familie haben, können sie sich überhaupt kein Bild davon machen, was da geschieht.
Ist die Bevölkerung über das Phänomen »Depression« aufgeklärt, weiß jeder einigermaßen aufgeweckte Mensch etwas über die Symptome. So merkt er auch, wenn bei sich oder in seinem Umfeld eine Depression im Anzug ist. Dann kann er seinen Freund überzeugen, zum Hausarzt zu gehen, und es wird nicht zugewartet, bis der Betroffene einsieht, dass es so nicht weitergeht. Und er kann auch das Stigma bekämpfen, indem er offen über die psychischen Krankheiten spricht und jene sanft zurechtweist, die sich herablassend oder verständnislos über die unglücklichen Opfer dieser fürchterlichen Krankheit äußern.
Weitere Wünsche und Anregungen aus dem Kreis der Angehörigen
1. Wenn ein Betroffener zu Hause lebt oder in der Klinik ist, sollen seine Angehörigen möglichst weiterleben wie bisher. Sie sollen auch über Verlauf und Fortschritte der Krankheit sprechen. Das fördert nebenbei die Früherkennung.
2. »Die Firma soll um Himmelswillen etwas gegen das Stigma unternehmen. Deren Ansichten sind ja aus dem vorletzten Jahrhundert.«
3. Die ambulanten psychiatrischen Dienste – eine außerordentlich wichtige Institution – sollten während 24 Stunden zur Verfügung stehen.
4. Man leidet unter der Krankheitsbezeichnung »Depression«. »Burnout« wäre angenehmer.
5. Ausnahmslos wurden mehr Information und Aufklärung der Öffentlichkeit über die psychischen Krankheiten gefordert. Dies würde die psychischen Leiden vom Stigma befreien, und die Psychiatrie erhielte endlich den Status, der ihr gebührt.
Ausgesuchte Fallbeispiele
In diesem Kapitel schildere ich (Fritz Kamer) Einzelschicksale. Keine Depression gleicht der anderen, aber es gibt in jedem Fall Aspekte, die dem einen oder anderen betroffenen Angehörigen unter unseren Lesern bekannt sein dürften. Diese machen ihm Mut zum Durchhalten, indem sie ihm zeigen, wie andere Menschen darunter litten und damit fertig wurden.
In der ersten Hälfte meines Lebens wusste ich kaum, was eine Depression ist. Es gab einige Fälle in der weiteren Verwandtschaft, von denen aber nur vage berichtet wurde. Das änderte sich dann ziemlich schlagartig, als ich selbst mit der Krankheit Depression erst im Freundeskreis und dann in meiner Familie konfrontiert wurde. Viele von der Krankheit Depression bestimmte oder veränderte Lebensgeschichten, dramatische und weniger dramatische, traurige und hoffnungsvolle, sind mir seither begegnet. Ich greife aus einem leider reichen Fundus ein paar Fälle heraus. Die Interviews schildern naturgemäß den Blickwinkel der Angehörigen, aber ich habe den Eindruck, dass alle Gesprächspartner liebevoll-objektiv waren.
Auch ich möchte an dieser Stelle für ihre Bereitschaft danken, mir (und unseren Lesern) ihre Zeit zu widmen und ihre meist sehr schmerzlichen Erfahrungen hervorzuholen und offenzulegen.
Was nicht passieren darf
Ort: Zweibettzimmer einer psychiatrischen Klinik in einem Land im Herzen Europas. Eine Zeugin berichtet mir Folgendes: Im zweiten Bett liegt eine etwa 50-jährige Patientin, die wegen einer Depression hier ist. Um sie herum stehen Mann, Tochter (Mitte dreißig) und Schwiegersohn.
Die Patientin ist in Tränen aufgelöst. »Bitte, bitte, nehmt mich nach Hause!« – »Nein!«, sagt ihr Mann kurz angebunden, »wir können dich zu Hause nicht brauchen. Du bist im Weg, wir haben keine Zeit für Patienten.« Und die Tochter: »Du bist eine Simulantin, du bist böse, du bist verrückt, du denkst nur an dich. Du bleibst hier, bis du wieder normal bist. Oder du kommst endgültig in die Klapsmühle.«
Laute, harte Stimmen, Kälte, Hass, kein Trost, kein Mitgefühl, keine
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