Der 1. Mord - Roman
würde?
Heute Abend jedoch waren meine Augen anders. Voller Angst. Alles schien anders zu sein. »Schmettere es ab«, sagte eine innere Stimme. »Steh es durch. Du stehst immer alles durch.«
Obwohl ich die Frage verdrängen wollte, kam sie immer wieder: Warum ich?
Ich zog einen Jogginganzug an, band mein Haar zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammen und ging in die Küche, um Wasser für die Nudeln aufzusetzen und die Soße aufzuwärmen,
die ich vor einigen Abenden in den Kühlschrank gestellt hatte. Während alles warm wurde, legte ich eine CD von Sarah McLachlan auf und setzte mich mit einem einen Tag alten Glas Bianco auf die Arbeitsplatte. Die Musik spielte, und ich tätschelte Sweet Martha.
Seit meine Scheidung vor zwei Jahren rechtskräftig geworden war, hatte ich allein gelebt. Ich hasse es, allein zu leben! Ich mag Menschen, Freunde. Früher habe ich meinen Mann Tom mehr geliebt als mein Leben - bis er mich mit den dürren Worten verließ: »Lindsay, ich kann es nicht erklären. Ich liebe dich, aber ich muss weg. Ich muss jemand anderes finden. Weiter gibt’s nichts zu sagen.«
Ich nehme an, er war ehrlich, doch das waren die dümmsten und traurigsten Worte, die ich je gehört habe. Sie haben mein Herz in eine Million Stücke zerspringen lassen. Es ist immer noch gebrochen. Doch obwohl ich es hasse, allein zu leben - abgesehen von Sweet Martha -, habe ich Angst vor einer neuen Beziehung. Was ist, wenn wieder jemand aufhört, mich zu lieben? Das könnte ich nicht verkraften. Daher gebe ich jedem Mann, der sich auch nur in meine Nähe wagt, einen Korb oder schieße ihn nach kurzer Zeit ab.
Mein Gott, ich hasse es, allein zu sein.
Besonders heute Abend.
Meine Mutter war an Brustkrebs gestorben, als ich gerade die Universität beendet hatte. Ich war von Berkeley zurück in die Stadt gekommen, um ihr mit meiner jüngeren Schwester Cat zu helfen. Wie meistens im Leben, sogar auch damals, als Dad sie verließ, hatte Mom sich mit ihrer Krankheit erst befasst, als es zu spät war, um etwas dagegen zu unternehmen.
Seit meinem dreizehnten Lebensjahr hatte ich meinen Vater nur zweimal gesehen. Er ging zwanzig Jahre lang auf Streife und galt als ziemlich guter Polizist. Nach dem Dienst pflegte er in seine Lieblingsbar zu gehen, ins Alibi, und sich dort das Spiel der Giants anzusehen. Manchmal nahm er mich mit, als
sein »kleines Maskottchen«, das die Männer bewundern sollten.
Als die Soße heiß war, goss ich sie über die Fusilli und trug den Teller und einen Salat hinaus auf meine Terrasse. Martha trottete hinterher. Seit ich sie vom Verein zur Rettung der Border Collies adoptiert habe, ist sie mein Schatten. Ich wohne auf dem Potrero Hill in einem renovierten blauen Haus mit Blick auf die Bay. Allerdings ist die Aussicht nicht so großartig wie von der Mandarin Suite aus.
Ich legte die Beine auf einen Sessel und balancierte den Teller auf dem Schoß. Auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht leuchteten die Lichter Oaklands wie tausend teilnahmslose Augen.
Ich blickte auf die Galaxie funkelnder Lichter. Meine Augen wurden feucht. Zum zweiten Mal an diesem Tag weinte ich. Martha stupste mich liebevoll mit der Schnauze an und vertilgte dann den Rest meiner Fusilli.
12
Am nächsten Morgen klopfte ich um Viertel vor neun an die beschlagene Scheibe von Lieutenant Roths Büro. Roth mag mich - ich bin wie eine Tochter für ihn, sagt er. Er hat keine Ahnung, wie herablassend er sein kann. Am liebsten würde ich Roth sagen, dass ich ihn auch mag - wie einen Großvater.
Ich hatte einen Haufen Leute erwartet, zumindest ein paar Typen von der Dienstaufsichtsbehörde oder Captain Welding, den Leiter der Kriminalpolizei. Doch als er mich hereinwinkte, war nur ein Fremder anwesend.
Der Mann sah gut aus; trug ein Chambray-Hemd, eine gestreifte Krawatte und hatte kurze dunkle Haare und kräftige Schultern. Sein intelligentes Gesicht schien sich zu beleben, als ich hereinkam, doch das signalisierte mir nur eins:
Ein Vorzeige-Schreibtischhengst. Jemand von der Pressestelle der Polizei oder vom Rathaus.
Ich hatte das ungute Gefühl, dass die Männer über mich gesprochen hatten.
Unterwegs hatte ich ein überzeugendes Plädoyer geprobt, weil ich die Presse nicht vom Tatort fern gehalten hatte. Ich hatte mir Erklärungen zurechtgelegt - dass ich spät am Tatort eingetroffen war, dass es doch eigentlich nur um das Verbrechen ging. Doch Roth überraschte mich. »›Hochzeitsglocken-Blues‹ nennen sie das Ganze«, sagte
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